Textatelier
BLOG vom: 25.12.2007

Weihnachtswanderung: Fit bleiben auch bei Minusgraden

Autor: Heinz Scholz, Wissenschaftspublizist, Schopfheim D 
An den Winter
Willkommen lieber Winter,
Willkommen hier zu Land!
Wie reich du bist, mit Perlen
Spielst du, als wär´ es Sand!
 
Den Hof, des Gartens Wege
Hast du damit bestreut;
Sie an der Bäume Zweige
Zu Tausenden gereiht.
 
Dein Odem, lieber Winter,
Ist kälter, doch gesund;
Den Sturm nur halt´ im Zaume,
Sonst macht er es zu bunt!
(Elisabeth Kulmann, 1808‒1825; deutsch-russische Dichterin)
*
Für viele Erwachsene und vor allem Kinder ist der Winter die schönste Jahreszeit. Sobald die ersten Schneeflocken fallen und als weisse Pracht die Erde bedecken, sind auch die Kinder nicht mehr in der warmen Stube zu halten. Sie ziehen Winterkleider an, nehmen den Schlitten oder die Skiausrüstung, treffen sich mit Freunden, und schon geht es zum nächsten Hügel. Die Kinder sind glücklich, erzählen, singen und werfen die ersten Schneebälle.
 
Auch wir Erwachsenen sollten diese Jahreszeit in einem positiven Licht sehen, die warme Häuslichkeit verlassen und Spaziergänge bei jedem Wetter unternehmen. Das ist gesund. Unser Immunsystem wird trainiert, das Atemsystem gekräftigt und der Kreislauf gestärkt. Ein solcher Spaziergang ist auch Balsam für unsere Seele. Man kann so richtig abschalten und auf andere Gedanken kommen.
 
In den letzten Jahren hatten wir schneearme Winter. Aber das hielt uns niemals davon ab, schöne Wanderungen auch bei eisigen Temperaturen zu unternehmen. So auch am Donnerstag, dem 20.12.2007 (kurz vor dem Winteranfang!). Toni und ich wanderten über den Dinkelberg. Auf Höhe von Nordschwaben und der Hohen Flum (eine 535 m hohe Erhebung unweit von Schopfheim mit Aussichtsturm) blies uns ein eisiger Wind entgegen. Aber bald darauf gewöhnten wir uns an die klare, frische Luft. Nach der 10 km langen Wanderung wärmten wir unsere Glieder in einer wohlig warmen Stube bei uns zu Hause auf, genossen einen heissen Kräutertee und assen dazu einen Honigkuchen. „Das hat uns gut getan“, war unsere einhellige Bilanz.
 
Positive Gedanken
Besonders schön sind für mich Spaziergänge, wenn dicke Schneeflocken vom Himmel fallen oder wenn die Wintersonne mild leuchtet und die Schneekristalle im Gegenlicht aufblitzen oder der Raureif eine Märchenwelt in die Landschaft zaubert. Auch die Schweizer Autorin Rita Lorenzetti aus Zürich hat positive Gedanken, wenn sie an den Winter denkt. Sie schrieb mir dies: „Auch ich liebe den Winter, den ich als reinigende Kraft empfinde. Ich laufe gerne auf Wegen aus, die dem Autoverkehr entzogen sind und freue mich, wenn es unter meinen Füssen knirscht. Fasziniert bin ich, wie der Winter, in Zusammenarbeit mit dem Schnee, Stadtansichten und Landschaften neu erfindet und uns ungewohnte Silhouetten präsentiert. Da wird ja allem eine weiche Form verpasst, ein Polster oder eine Kappe aufgesetzt. Manchmal fühle ich, wie die Bäume unter den Lasten leiden. Aber ich erlebe oft auch mit, wie gut sie es verstehen, diese schon bei geringer Wärme locker abzuwerfen. Da sind sie mir dann Vorbild. Schon manchmal habe ich mich im rechten Augenblick an sie erinnert und es ihnen nachgemacht.“
 
Walter Hess, der gern auch bei kalten Temperaturen herumwandert, wusste ebenfalls etwas Interessantes zur Winterwanderung zu sagen. Hier sein Kommentar: „Das Wandern (Spazieren) erlebt zurzeit eine Renaissance. Das ist mehr als eine Verlangsamung, mehr als eine Ode an die Langsamkeit, sondern es ist die Rückkehr zur menschengerechten Geschwindigkeit. Sie überfordert die Sinne nicht, und damit wird das Erlebnis tiefer, eindringlicher. Im Winter, der Phase der Vegetationsruhe, ist auch die Landschaft wunderbar beruhigt. Und weil der Aufenthalt im Freien in der kalten Jahreszeit seltener ist, erhält das Gehen an der frischen Luft nach dem eigenen Rhythmus eine besonders grosse Bedeutung.
 
Die Landschaftsbilder sind im Winter neu. In der Malerei gibt es die Grisaille-Technik, die nur mit den Farben Weiss, Grau und Schwarz auskommt. In der Neuzeit, die von der Überflutung mit farblich beunruhigten und bewegten Bildern gezeichnet ist, die uns überall aus Werbegründen verfolgen, üben unbunte Bilder eine wunderbar beruhigende Wirkung aus.“
 
Sehnsucht nach Ruhe
In Zeiten der Reizüberflutung sehnen sich immer mehr Menschen nach Ruhe und Stille. Die Adventszeit, Weihnachten und die „Tage zwischen den Jahren“ bieten uns ungeahnte Möglichkeiten, uns besinnen, uns wieder zu freuen und der Hektik zu entfliehen. Aber es fällt den meisten Menschen heute selbst in dieser Zeit schwer, sich aus dem Sog der Geschäftigkeit zu befreien.
 
Besonders schön ist ein Spaziergang um die Weihnachtszeit. Immer, wenn die Bescherung am Heiligen Abend naht, gehen viele mit ihren Kindern, Enkeln oder mit dem Hund in den Abend hinaus, erfreuen sich an den festlich geschmückten Weihnachtsbäumen hinter den Fenstern oder in den Gärten. Stille liegt dann über dem Dorf oder der Stadt. Schneit es dann noch bei diesen Spaziergängen, ist die Freude umso grösser. Ein Winterspaziergang bietet die Möglichkeit, eine andere Welt, die voller Überraschungen ist, kennen zu lernen.
 
Bei einer Wanderung im Schweizer Jura nahe von Liestal BL im Januar 2007 konnte ich eine überwältigende Raureif-Landschaft auf mich einwirken lassen. So waren Blätter und Zweige, Bäume und Sträucher, aber auch Zäune mit dicken, bizarren Eiskristallen überzogen. Auch die Hagebutten bekamen ein filigran gezuckertes Aussehen. Zahlreiche Spuren im Schnee verrieten mir, welche Tiere hier in Wald und Flur leben.
 
Wer entlang eines Bachlaufs schreitet, kann sich an Eisbirnen, Eiszapfen und anderen Eisgebilden und an tief zum Wasser herab hängenden Zweigen erfreuen. Besonders eindrucksvoll sind die riesigen Eiszapfen an Wasserfällen oder an den Vordächern der Häuser. So konnte ich vielfach an alten Schwarzwaldhäusern oder am Todtnauer Wasserfall diese eiskalten Gebilde sehen.
 
Es sind in der Tat herrliche Bilder, die eine beruhigende Wirkung ausüben. Alle diese Schönheiten der Natur, aber auch die Glücksmomente, die Spaziergänge oder Wanderungen bringen, bleiben den Stubenhockern verborgen. Also raus aus der warmen Stube und hinaus in die erfrischende Natur! Herrlich ist auch das Heimkommen, das Erwärmen, das Geniessen einer heissen Tasse Tee und das Anzünden von Duftkerzen, die eine heimelige Atmosphäre erzeugen.
 
Literatur
Scholz, Heinz: „Glücksmomente bei einem Winterspaziergang“, „Reform Rundschau“, Dezember 2007.
 
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