Textatelier
BLOG vom: 11.03.2009

Gentechnik-Pflanzen: Risikostudien, die ein Verbot erfordern

Autor: Heinz Scholz, Wissenschaftspublizist, Schopfheim D
 
„Kein Anbau von Gen-Pflanzen, keine Gen-Pflanzen im Tierfutter, keine Gentechnik im Essen. Das ist notwendig und richtig.“
(Greenpeace)
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„Ich kann nicht erkennen, warum wir den Interessen eines einzigen amerikanischen Konzerns folgen und in den Mitgliedsstaaten die Bürgerinnen und Bürger gegen uns aufbringen sollen.“
(Sigmar Gabriel, deutscher Bundesumweltminister)
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Am 02.03.2009 wurde eine Grundsatzentscheidung zum Anbau von GVO-Mais (GVO = gentechnisch veränderter Organismus) in Österreich und Ungarn publiziert. Die Meldung konnte man schier nicht glauben: Die EU-Umweltminister entschieden, dass die erwähnten Länder ihr Anbauverbot nicht aufzuheben brauchen. Für die Gegner der Gentechnik war dies ein Freudentag. Nun wird erwartet, dass diese Entscheidung eine Signalwirkung auch für Deutschland haben wird. Denn im Osten der Republik gibt es noch einige Anbaugebiete.
 
Die EU wollte Österreich und Ungarn zwingen, das Anbauverbot aufzuheben. Aber zum Glück entschieden die verantwortungsvollen EU-Umweltminister anders.
 
Es ist wie in anderen Bereichen der Politik immer wieder der Fall, dass rigoros bestimmt wird, wo es lang gehen soll. Und die industriehörigen Wissenschaftler melden sich immer gebetsmühlenartig zu Wort und behaupten, die so genannte „Grüne Gentechnik“ sei ungefährlich. So erzählte am 02.03.2009 Andreas Schier von der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt in Nürtingen-Geislingen in einem Spiegel-Interview, dass nach aktuellem Stand der Wissenschaft der gentechnisch veränderte Mais genauso sicher sei wie der konventionelle. Er behauptete des Weiteren, dass es keine neuen Erkenntnisse gebe, die ein Verbot rechtfertigen (nach Studium der neuesten Studien werde ich das Gegenteil behaupten!). Kommentar von Walter Hess: „Es sind die Lügen und Schönrednereien der gekauften Wissenschaft!“
 
Die Befürworter der Gentechnik weisen immer darauf hin, dass in Ländern wie der USA, schon jahrelang GVO-Pflanzen angebaut und diese von der (ahnungslosen) Bevölkerung verzehrt werden und keine Nachteile beobachtet wurden. Der schlechte Gesundheitszustand der US-Bürger wird keinesfalls mit der Gentechnik in Verbindung gebracht. Ich bin überzeugt, dass diese neben anderen Faktoren auch eine Rolle spielt.
 
Die möglichen Gefahren werden negiert, obwohl es Hinweise auf ökologische und gesundheitliche Risiken gibt. So sehen Umweltschützer und neutrale Forscher schon seit Jahren eine Gefahr für den Ökolandbau, die Bienenwirtschaft und für Schmetterlinge. In meinem Buch „Richtig gut einkaufen – die moderne Lebensmittelkunde für den Alltag“  (Verlag Textatelier GmbH, CH-5023 Biberstein, das Werk ist ausverkauft und vergriffen) wies ich schon 2005 auf die negativen Effekte von GVO-Pflanzen hin. Es sind Folgende: 
o Absinken der Artenvielfalt,
o Entstehung von „Superwildpflanzen“
o negative Effekte bei Tieren,
o Antibiotikaresistenz,
o negative Effekte beim Menschen.
Auch in meinem Blog vom 14.09.2006 (Genfood-Seuche: Wenn in China ein Sack Gen-Reis umfällt“) wies ich u. a. auf die ökologischen Risiken durch Gen-Mais hin. In jener Arbeit wird auch beschrieben, wie Monsanto, die Genmais-Sorte „Mon 810“ herstellt.
 
Die Verbraucherzentralen einiger deutscher Bundesländer (www.vz-nrw.de) warnten so vor den Auswirkungen von Gen-Lebensmitteln: „Welche Auswirkungen Gen-Lebensmittel auf die menschliche Gesundheit haben, ist derzeit letztlich nicht abschätzbar. Insbesondere dann nicht, wenn noch gentechnisch veränderte Bestandteile (veränderte Eiweisse oder verändertes Erbgut) im Lebensmittel enthalten sind. Auch hier gibt es keine aussagekräftigen Langzeitstudien. Unter dem Blickwinkel des vorbeugenden Verbraucherschutzes müssen Hinweise auf eine mögliche Gesundheitsgefährdung ernst genommen werden.“
 
Monsanto ist berüchtigt für harte Bandagen
Schon im Mai 2007 wurde in der Online-Ausgabe des Spiegels mit der Schlagzeile „Wie Genmais-Gigant Monsanto Politik macht“ ausführlich berichtet. Damals hat der frühere Verbraucherschutzminister Horst Seehofer den Saatgutriesen Monsanto Einschränkungen beim Anbau der Genmais-Sorte „Mon 810“ auferlegt. Der Biotech-Konzern liess sich das nicht gefallen. Er schickte Lobbyisten nach Berlin, um dort Stimmung für eine positive Atmosphäre im Sinne der Firma zu machen. Es wurde auf verschiedenen Ebenen Druck gemacht, so an den unterschiedlichsten Stellen des Verbraucherschutzministeriums. Auch die amerikanische Botschaft wurde ins Rennen geschickt, um den grenzenlosen wirtschaftlichen US-Interessen den Weg zu ebnen. Wie die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen, Bärbel Höhn, ausführte, wurde die Botschaft sogar im Kanzleramt vorstellig. „Monsanto ist berüchtigt dafür, dass sie mit harten Bandagen und ohne Rücksicht versuchen, ihre Geschäftsinteressen durchzusetzen – auch bei Produkten, die massiv in der Kritik stehen“, so Bärbel Höhn. Monsanto-Sprecher von Deutschland, Andreas Thierfelder, sagte, es seien nur informelle Gespräche gewesen und keiner habe versucht, den Bescheid zu beeinflussen. Wer glaubt, wird selig, wie man so sagt.
 
Gudrun Kaufmann, ärztlich geprüfte Gesundheits- und Ernährungsberaterin der Gesellschaft für Gesundheitsberatung (GGB e. V.) aus Fränkisch-Crumbach (guka-ernaehrung@web.de), die sich unermüdlich gegen die Gentechnik einsetzt, brachte kürzlich in einer Publikation in der „Neuen Rheinischen Zeitung“ die Seilschaften und Netzwerke der Agro-Gentechnik in Medien und Politik zur Sprache. Sie zitierte den präzise recherchierten Bericht „Kontrolle oder Kollaboration? Agro-Gentechnik und die Rolle der Behörden“ von Antje Lorch und Christoph Then. Der Bericht wurde im Auftrag von Ulrike Höfken, Sprecherin für Ernährungspolitik und Verbraucherfragen in der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen, erstellt.
 
Man erfährt, wie Monsanto auf Empfehlung der internationalen Beratungsagentur Burson-Marsteller, „neutrale“ Institutionen beauftragt, um Lobbyarbeit zu machen. So entstanden Arbeitskreise, Initiativen und Aktionsgruppen, die im „Gen-Dialog“ mit Hausfrauenbund, Verbraucherinitiativen und Medien stehen. Sogar in Schulen wurden und werden Labore von Grosskonzernen eingerichtet. In diesen Laboren können Gentechnikversuche durchgeführt werden. Ziel ist es, schon Schüler für die Gentechnik zu begeistern. Und somit wird die nächste Generation für die Gentechnik erzogen! Was die Schulen betrifft, finden Sie die Beschreibung des Modells unter: www.hannoverGen.de
 
Wer mehr über die Vorgehensweise von Monsanto erfahren möchte, sollte den Bericht „Monsanto gegen Bauern“ lesen. Auf Seite 52 wird in einer Zusammenfassung darauf hingewiesen, dass der Bericht in den USA 2005 für Aufsehen und Diskussionen gesorgt hat. Hier ein Auszug: „Das Zentrum für Nahrungsmittelsicherheit (CFS) untersuchte dafür in welchem Ausmass US-amerikanische Bauern unter Rechtsstreitigkeiten litten, die durch die Nutzung patentierter gentechnischer Pflanzen ausgelöst wurden (…) Neben ökologischen und ethischen Fragen stellt der Einsatz der Gentechnik in der Landwirtschaft eine Gefahr für die zunehmenden Abhängigkeiten der Bauern von einer handvoll Konzerne dar (…) Monsantos Ermittlungsmethoden und das skrupellose Verklagen von Bauern stellen einen Angriff auf die Grundfeste bäuerlicher Gewohnheiten dar, auch auf eines der ältesten Rechte von Bauern: Saatgut der eigenen Ernte aufzubewahren und wieder auszusäen. Der Weltmarktführer bei gentechnischem Saatgut beginnt den Prozess der Kontrollübernahme über Bauern, indem er sie dazu drängt, beim Kauf patentierten Saatguts den Monsanto-Saatgut-Vertrag zu unterschreiben. Dieser Vertrag gibt Monsanto das Recht, Kontrollen auf dem Privatland der Bauern durchzuführen, verpflichtet Bauern zu enormer finanzieller Haftung und schreibt vor, welche Rechte einem Bauern in Bezug auf die Aussaat, die Ernte und den Verkauf gentechnischen Saatgutes zustehen und vor allem welche nicht.“
 
Die Bauern können sich in dem Bericht über die juristischen Folgen informieren.
Sie finden den Bericht „Monsanto gegen Bauern“ in deutscher Übersetzung unter:
 
Monsanto-Pestizid giftiger als gedacht
Laut einer Toxizitätsstudie der Universität Caen (Frankreich) erwiesen sich schon geringe Mengen der Rückstände des Monsanto-Herbizids RoundUp mit dem Wirkstoff Glyphosat bei menschlichen Zellen schädlich und sogar tödlich. Die Rückstände sind in GVO-Lebens- und Futtermitteln nachweisbar. Jens Karg, Gentech-Sprecher der Umweltschutzorganisation GLOBAL 2000 dazu: „Wir haben hier eine weitere Studie die belegt, dass durch Gentech-Pflanzen die Gesundheit von Mensch und Tier gefährdet wird.“
 
TraceConsult schreibt: „Die Erkenntnisse der französischen Wissenschaftler sind besonders für all jene Quellen deutlich peinlich, die in der Vergangenheit immer behauptet haben, dass ausreichende wissenschaftliche Untersuchungen gezeigt haben, dass GVO-Sojabohnen sicher für den menschlichen Verzehr sind.“ Die Publikation der Toxizitäts-Studie in der angesehenen American Chemical Society verlieh der Arbeit zusätzlich Glaubwürdigkeit. Die Wissenschaftler um Professor Gilles-Eric-Séralini stellten fest, dass durch Verdünnungen von 1:100 000 innerhalb von 24 Stunden sämtliche Zellen abstarben. Das Pestizid blockierte die Zellatmung und verursachte DNA-Schäden.
 
Eine Fütterungsstudie, die vom italienischen Forschungsinstitut für Ernährung und Lebensmittel 2008 mit dem Gentech-Mais Mon 810 durchgeführt wurde, ergab signifikante Veränderungen im Immunsystem bei Mäusen. Das Wissenschaftsteam um Elena Mengheri fütterte Mäuse am Ende der Stillzeit mit dem Mais. Schon nach 30 Tagen beobachteten die Forscher Veränderungen im Darm, in der Milz und im Blut. Den stärksten Effekt zeigten Jungtiere, bei denen das Immunsystem noch nicht vollständig ausgebildet ist.
 
Auch das österreichische Gesundheitsministerium gab eine Studie in Auftrag. Fazit dieser Untersuchung: Bei Langzeitfütterung einer Gen-Maissorte an Mäusen wurde eine Beeinträchtigung der Fruchtbarkeit ermittelt.
 
Satt ohne Gentechnik
Es gibt in der Tat erfolgreiche konventionelle Züchtungen, die sich für eine Mangelernährung in Afrika besonders eignen. Das West African Rice Center züchtete Reissorten, die an die westafrikanischen Klima- und Bodenverhältnisse sehr gut angepasst sind. Die Sorten kommen auch mit Trockenheit zurecht. Die Züchter kreuzten afrikanische Sorten mit solchen aus Asien. Der Ertrag war doppelt so hoch, und der Reis wies einen kürzeren Reifezyklus auf. Auch der Proteingehalt war höher.
 
Das internationale Kartoffelzentrum CIP in Peru züchtete Kartoffelsorten, die kurze Wachstumszeiten hatten. Eine zusätzliche Ernte war dann im Jahr möglich. Die Forscher haben auch Sorten gezüchtet, die gegen Stämme der Kraut- und Knollenfäule resistent sind.
 
Wie schon in meinem Blog vom 19.02.2006 „Deutscher Bauer: Ohne Agro-Gentechnik kommt man weiter“ erwähnt, erwies sich der Anbau von Golden Rice als Flop. Die Biotechniker veränderten die Reispflanze so, dass sie Beta-Karotin (Provitamin A) herstellte. Damit könne man, so behauptete Syngenta, Millionen Kinder vor der Erblindung retten. Als der Golden Rice untersucht wurde, stellte man fest, dass viel zu wenig Beta-Karotin in den Reiskörnern war. So müsste ein Kind 7 Pfund und ein Erwachsener 20 Pfund Reis essen, um seinen täglichen Vitamin-A-Bedarf zu decken.
 
Befürworter der Gentechnik räumen inzwischen ein, dass die Rezepte gegen Hunger und Unterernährung mit Gen-Pflanzen nicht das Gelbe vom Ei sind. Meistens herrschen in den „Hungerländern“ soziale, politische und ökologische Missstände. Dass es auch anders geht, zeigen die Aktivitäten in Ghana und Nigeria. Dort konnten durch Kultivierung einheimischer Grundnahrungsmittel wie die Maniokwurzel, durch Bildungsprogramme, Ernährungsberatung und politische Massnahmen der Anteil der Unterernährten in Ghana von 62 % auf 10 % und in Nigeria von 44 % auf 8 % gesenkt werden.
 
Mir ist schleierhaft, warum solche Aktivitäten nicht vermehrt durchgeführt werden. Man könnte einen Teil der Entwicklungshilfegelder dann sinnvoll einsetzen und nicht durch unsinnige Massnahmen verschleudern.
 
Auch sollte man die Lobbyisten der Saatgutkonzerne nach Hause schicken. Besonders wichtig ist die Aufklärung der Bevölkerung über die Entwicklungen der Gentechnik und die Machenschaften der Konzerne.
 
Internet
www.traceconsult.ch/71664/77643.html (Arbeit über die französische Toxizitätsstudie)
 
Literatur
„AGRO-Gentechnik: Die Saat des Bösen – Die schleichende Vergiftung von Böden und Nahrung“ – Redaktion: Richard Fuchs, Antonio Inacio Andrioli, Oktober 2006, 251 Seiten, emu-Verlags- und Vertriebs-GmbH, ISBN: 3891891520, 16,80 Euro.
 
Hinweise auf weitere Blogs zur Gentechnik
10.04.2005: Zielstrebige Genmais-Verbreitung als Schlamperei getarnt?
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