Textatelier
BLOG vom: 12.11.2005

Multikulturelles Brocken-„Haus“ unter freiem Himmel

Autorin: Rita Lorenzetti
 
Neuerdings führen meine Wege vermehrt in den Kreis 4 und endlich besuche ich einmal den Flohmarkt auf dem Kanzleiareal in Zürich.
 
Samstagmorgen. Es regnet. Der Himmel ist grau, aber auf dem gesamten Umfeld des Kanzleischulhauses sind Sonnenschirme aufgespannt. Es ist Flohmarktzeit. Die Brocken liegen auf Plastikplanen, Schachteln oder einfachen Tischen. Multikulturell das Publikum und auch die Händler. Auch einige Schweizer sind dabei. Wir befinden uns hier in jenem Stadtkreis mit dem grössten Ausländeranteil. Der Ort hat Charme, auch wenn der Regen die Auslagen angreift und vieles unter Plastik versorgt werden muss. Was da alles feilgeboten wird!
 
Ich entdecke 2 Unterkieferknochen inklusive Zähne von einem Hirsch. Fein säuberlich gereinigt. Der gleiche Anbieter hat auch blitzblanke Nagetier-Schädelknochen im Angebot. Kurios! Neben Baumaschinen, Kettenfräsen und einem Schiffsmotor liegen auch viele Musik-Instrumente da. Ein verbeultes Saxophon, sehr alte Geigen, Gitarren. Sie alle haben offenbar ein wildes Leben hinter sich. Dann das Übliche wie im Brockenhaus: Bücher, Taschen, Geschirr, Lampen, Stühle, Kochgeschirr, Bilderrahmen, ein Fleischwolf, auch Kleider und sehr viele Schuhe.
 
Primo, der mich begleitet und schon oft hier war, zeigt mir alles, wie wenn er zu einer Führung angestellt wäre. Wir schauen den Stand mit dem Uhrenservice an. Hier können die Batterie ausgewechselt oder das Uhrenarmband erneuert werden. Ein Afrikaner zeigt auf den defekten Zeiger an seiner Uhr. Ihm kann aber nicht geholfen werden. Die Dienste sind beschränkt. Grosser Andrang am Stand „Natel-Service“, wo offensichtlich Probleme gelöst werden. Er wirkt vertrauenerweckend. (Primo sagt, er habe auch schon Polizeikontrollen beobachtet.) 3 nigelnagelneue (brandneue) in Plastikfolie eingeschweisste Fernsehgeräte stehen auf einem Tisch und Händler wie Wächter hinter ihnen. Nebenan allerlei Kabelstränge und Leitsysteme. Und viel Schnickschnack, angefangen von Masken über eine Buddha-Figur bis zu Wilhelm Tell. Von Snowboards und Rollbrettern ganz zu schweigen. Im Bereich Textilien feilschen 3 Musliminnen um einen guten Preis.
 
Ein Warenhaus unter offenem Himmel, alles für das kleine Portemonnaie und für die Schnäppchenjäger. Und auch für jene, die wie ich einfach gern durch einen offenen Markt gehen.
 
Obwohl karg in der Präsentation, ist ein besonderes Fluidum auszumachen. Die Angebote führen uns rund ums Schulhaus. Ich staune über die Vielfalt. Und niemand scheint sich am Regenwetter zu stören. Schon möglich, dass sich unter einem strahlenden Himmel ein regerer Austausch entfalten würde. Aber gerade weil es hier ruhig ist und niemand zu einem Kauf drängt, schaue ich die Angebote gerne an. Primo spasst mit einem jungen Mann über seine Angebote hinweg, und derweil entdecke ich Ersatzstücke für mein Langenthaler-Kaffee-Service.
 
Schnell entschlossen kaufe ich sie und wundere mich, wie billig sie mir überlassen werden. Zu nur 5 Franken. Primo sagt: Du hättest sicher auch 10 dafür bezahlt. Ja, so ist es. Ich habe einen triftigen Grund: Jetzt habe ich endlich wieder alle Tassen im Schrank. So ein Glück!
 
Dieser Floh- und Kuriositätenmarkt, findet jeden Samstag von 8 bis 16 Uhr im Kanzlei-Areal beim Helvetiaplatz in CH-8004 Zürich statt.
 
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