Textatelier
BLOG vom: 25.05.2006

Allegorien zu Allergien: Leiden für lange Fingernägel

Autor: Emil Baschnonga
 
Das Thema allein könnte eine Allergie auslösen. Mehr und mehr Leute leiden zunehmend an Allergien, von mehr und mehr Auslösern verursacht. Eben das stellte ich wiederum fest, als ich gestern ein halbseitiges Zeitungsinserat bemerkte: „Millions of allergens. Only one Piriton.“ Wie gut dieses Medikament wirkt und ob der Hinweis „contains chlorphenamine“ einer Empfehlung gleichkommt, das weiss ich nicht.
 
Das Inserat zeigt eine typische lang gezogene englische „High Street“ und weist auf eine stattliche Reihe von Allergieauslösern hin, die in dieser Anzeige wie die in England üblichen „For Sale“-Plakate der Liegenschaftsvermittler angeschlagen waren. In jedem „Anschlagkästchen“ war die Anzahl der von spezifischen Allergien betroffenen Leute in England vermerkt. Ich nenne hier nur solche, die mich teils ergötzten:
 
Goldallergie (412 000 Leidende). Mein Mangel an Gold sichert mich vor diesem Übel. Wie viele Allergene sammeln sich auf Banknoten an? Das wäre doch gut, wenn man sie nicht anfassen und ausgeben könnte.
 
Künstliche Fingernägel (100 000 Leiden). Ich werde mich vor solchen bekrallten Frauen hüten. Vorsichtshalber werde ich mich auch nicht mit künstlichen Wimpern einlassen.
 
Parfüme (2,3 Millionen). Ich werde mir die Nase zuhalten und weitergehen. Das Parfüm meiner Frau hat bisher nicht negativ auf mich eingewirkt, ganz im Gegenteil.
 
Staub (4 Millionen). Was davon nicht alles in die Luft gewirbelt wird! Das wurde ich mir gewahr, als sich bei Sonneneinfall die Sonnenstäubchen fast wie ein Schleier in der Luft ausbreiten, nicht mehr wie einst glitzernd weiss, sondern grau bis schwarz. Er sammelt sich in der Nase, bis man niesen und sich schnäuzen muss. Nebenbei erwähnt die Anzeige auch „Breath spray“ (Atemsprühe) als Allergie (226 000). Also: die Hand vors Maul halten und nachher niemandem die Hand schütteln. (Ich weiss, damit ist wohl etwas ganz anderes gemeint, nämlich die Atemverbesserer aus der Sprühdose. Wer stattdessen Petersilie käut, vermindert dieses Allergie-Risiko.)
 
Bäume (1,8 Millionen). Daran sind wohl grösstenteils die Pollen schuld. Ich weiche jeder Leiter aus – den Bäumen nur soweit, damit ich nicht versehentlich gegen einen Baumstamm pralle und eine Beule einfange. Ausserdem soll es Baumrinden geben, die Allergien auslösen.
 
Leder (103 000), worunter auch das Schuhleder. Also Socken tragen und das Ledersofa aus dem Hause schaffen. Kennen Sie einen Ledergerber, der an dieser Allergie leidet? Nein, er ist dagegen geeicht. Wie steht es mit dem Kunstleder?
 
Die Haare der Eichhörnchen (181 000). Der Siegeszug der kanadischen Baumratten wird diese Art von Allergie weiter in die Höhe treiben. Desgleichen die Rattenplage (498 000).
 
Nahrungsmittel (wohl an 1. Stelle), worunter Gewürze (680 000), Chili (737 000) usf. Wie kommt es, dass genau das, was uns am besten schmeckt, uns, allergisch gesprochen, am schlechtesten bekommt (mich zum Glück ausgenommen)?
 
Genug der Allegorien. Allergien sind sehr ernst zu nehmen. Statistiken lügen und diese, glaube ich, gehören zu den allerschlimmsten. Die Verursacher von Allergien sind meistens schwer zu bestimmen. Am einfachsten unterdrücke man die Symptome, so will es die Pharmazeutik – eben mit „Piriton“-Tabletten und einem Arsenal von Antihistaminika bis zu Cortison. Daraus werden vermutlich viele neue Allergien entstehen.
 
Hier eine Allergie-Episode aus meinem Leben, verbunden mit Hautausschlag und wahnsinnigem Juckreiz. Dagegen halfen weder obige Rezepte, Homöopathie noch Heilkräuter. Es war zum Verzweifeln. Manchmal wälzte ich mich auf dem Boden wie eine Katze. Schliesslich fahndete ich systematisch nach der Ursache und fand sie schliesslich: Die knallroten Zündholzköpfchen, die Phosphor enthalten. Meine Allergie war wie weggeblasen, als ich sie mied (leider konnte ich mich noch nicht vom Rauchen lösen – ein weiteres berüchtigtes Allergen.)
 
Hin und wieder erwischt mich ein milder Allergieanfall in Hotelzimmern, dann und wo immer solche vermaledeiten Zündhölzer aufliegen. Geschwefelter Wein ist ebenfalls ein Sündenbock. So achte ich auf sauberen Wein.
 
Allergien, nehme ich zur Kenntnis, sind Abwehrreaktionen des Immunsystems, teils mit schrecklichen Folgen, wie es etwa nach Verzehr von Erdnüsschen vorkommen kann.
 
Die beiden Töchter einer befreundeten Familie litten lange an einer schlimmen Kaskade von Allergien. Die verzweifelte Mutter wurde zur Allergie-Expertin und entwickelte nach und nach einen Menüplan, der die Allergieanfälligkeit ihrer Töchter abbaute. (Gesundes, natürliches Essen, das ist mir eher spät in meinem Leben aufgegangen, dank „Richtig gut Einkaufen“ vom Fachmann Heinz Scholz verfasst, bin ich diesbezüglich hellhöriger geworden und beachte seine Tips mehr und mehr.)
 
Ich beschäftige mich als Berater mit den wirtschaftlichen Aspekten der Nahrungsmittel-Industrie. Kenne ich meinen Kunden einigermassen, frage ich ihn vielleicht über ein gutes Nachtessen hinweg, wie ihm das Angebot seiner Firma persönlich schmecke. Immer wieder kommt es vor, dass er mir offen gesteht, dass er „solches Zeug nicht fresse“. Die Hersteller sind inzwischen tüchtig aufgeschreckt und bemühen sich, gesunde Kost auf den Markt zu bringen. Dies dürfte viele Allergien im Keim ersticken.
 
In meinem geschäftlichen Bekanntenkreis ist jemand, der Tomaten nicht ausstehen kann. (Laut dem Zahlenbarometer der „Piriton“-Anzeige sollen 526 000 Engländer auf Tomaten allergisch reagieren). Essen wir gemeinsam, schubst er mir – ich kanns nicht verhindern – seine Tomaten auf meinen Teller, obwohl ich selbst nicht besonders auf sie erpicht bin – es handle sich denn um die ehrlich sonnengereiften. Ich darf darauf leider nicht sauer reagieren, da ich auf seine Aufträge angewiesen bin.
 
Obendrein ist dieser gute Mann ein fanatischer Gärtner und pflanzt, hegt und pflegt unter vielen anderen Gemüsesorten auch besonders viel Tomaten im Gewächshaus und draussen im Garten. Die fast ganzjährige Ernte zwingt er seiner ganzen Nachbarschaft auf. Merkwürdig. Ich möchte gerne nachforschen, wie viele seiner Nachbarn inzwischen auf ganz andere Art allergisch auf seine Tomaten geworden sind. „Da kommt er schon wieder“, bemerkt die gute Nachbarin durch die Gardine spähend zu ihrem Mann. „Nicht schon wieder Tomatensalat“, brummt dieser griesgrämig.
 
Jetzt muss ich einen Schlussstrich unter dieses Thema ziehen, denn ich bin ihm weder fachlich gewachsen noch sonst dazu berufen, mich ernsthaft mit dem komplexen Allergiethema auseinander zu setzen. Aber ein bisschen Allotria zu treiben darf mir niemand verargen.
 
Zwar bin ich, zugegeben, auch Allergiker. Gewisse Einbrüche gegen den gesunden Menschenverstand lösen bei mir leicht Abwehrmassnahmen seitens meines Immunsystems ganz anderer Art aus. Dagegen kann ich mich weder abhärten noch „Piriton“ schlucken.
 
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