Textatelier
BLOG vom: 10.06.2006

Herzinfarkt: Fussball mit gefährlichen Nebenwirkungen

Autor: Heinz Scholz
 
Die jetzige Fussball-WM ist für herzkranke Fans ein Sicherheitsrisiko. Besorgt fragen wir uns alle, ob Infarktgefährdete ihre Finger vom TV-Knopf lassen sollten. Die alkoholumsäuselten und Chips essenden Fans belasten in der Tat ihren Organismus mit dieser denkbar ungünstigen Kost. Wenn dann noch ein Spiel zu einem Fussballkrimi auswächst, reagiert der Körper mit einer verstärkten Adrenalinausschüttung. Puls und Blutdruck steigen in ungeahnte Höhen. Dies ist für das Herz eine ungeheure Belastung.
 
Wie aufregend Fussball sein kann, wurde während des nervenzerreissenden Matches zwischen der Türkei und der Schweiz im letzten Qualifikationsspiel zur Fussball-WM am 16. November 2005 bei einem 57-jährigen Fan auf der Intensivstation des Churer Spitals untersucht. Der Mann hatte bereits einen Herzinfarkt hinter sich; seine Herzkranzgefässe waren teilweise verstopft. Nach einer gelungenen Behandlung verfolgte der Kranke das Länderspiel unter EKG-Kontrolle. Am Anfang betrug seine Pulsfrequenz 70 Herzschläge/Minute, nach dem 1. Tor und den weiteren Toren stieg die Pulsfrequenz bis zum Schlusspfiff auf 90 Herzschläge/Minute stetig an. Die Schlussphase war besonders dramatisch. Wenn nämlich die Türken noch ein Tor geschossen hätten, dann wären die Schweizer rausgeflogen.
 
Bei dem Patienten zeigte sich mit zunehmender Spieldauer eine ansteigende Sauerstoff-Mangelversorgung des Herzmuskels. Auch die geordnete elektrische Erregung des Herzens lief aus dem Ruder. „Unser Fall zeigt, dass Fussball schauen bei weitem nicht harmlos ist“, berichteten die Kardiologen. Der Fall wurde kürzlich im Ärzteblatt „Swiss Medical Weekly“ publiziert.
 
Am Tag des Europameisterschafts-Viertelfinalspiels Niederlande gegen Frankreich (22. Juni 1996) stieg die Herzinfarkt- und Schlaganfall-Sterblichkeit niederländischer Männer. Verglichen mit den 5 Vor- und Nachtagen sowie dem 22. Juni 1995 und 1997 starben 14 Männer zusätzlich. Unter den französischen Männern waren keine vermehrten Todesfälle zu verzeichnen. Vielleicht deshalb, weil ihre Mannschaft das Match mit 5:4 gewonnen hatte. Es gibt aber noch einen anderen Grund: Die Franzosen sind nicht so fussballverrückt und schauen deshalb weniger in die Glotze.
 
Den englischen Männern erging es ebenfalls schlecht. Nach dem WM-Viertelfinalspiel am 30. Juni 1998 – die Engländer hatten gegen Argentinien verloren – stieg die Zahl der Krankenhauseinlieferungen wegen Herzinfarkt um 25 Prozent.
 
Frauen sind wohl resistent gegenüber Fussball. Die Forscher fanden bei den Untersuchungen keine Abweichung von den üblichen Statistiken.
 
Besonders gefährdet sind übergewichtige Männer, die trinken und rauchen. Sie sind stressanfälliger, und sollten bei spannenden Fussballspielen auf der Hut sein.
 
WM nicht zu ernst nehmen!
Prof. Christoph Bode, Kardiologiechef der Uniklinik Freiburg, betonte, man solle die WM nicht zu ernst nehmen. Er empfiehlt als Alternative zu Medikamenten, dass man den Stoffwechsel nicht mit fettigen Snacks belastet. Er rät zu Entspannungsübungen und Spaziergängen in der Halbzeitpause.
 
Ich mache nach aufregenden Spielen immer in der Halbzeitpause Autogenes Training oder gehe kurz ums Haus oder absolviere in der Wohnung einen Spaziergang. Das hilft immer. Wenn ich mich über eine Schiedsrichterentscheidung oder über das schlechte Spiel der deutschen Mannschaft zu sehr aufrege, dann ruft mir meine Frau Paula immer entgegen: „Rege dich doch nicht so auf, es ist doch nur ein Spiel.“ Diesen Ratschlag habe ich beim nächsten Tor oder nicht gegebenen Tor glatt wieder vergessen. Dann bekommt sogar mein Nachbar was zu hören.
 
Ein Bekannter von mir hat auch eine vorzügliche Entspannungsübung. Er geht in der Halbzeitpause mit seinem Hund Gassi. Dann kommt er frohgelaunt und entspannt zurück und kann das Spiel weiter verfolgen. Nach dem Spiel wird wieder Gassi gegangen.
 
Ernährungstipps für gestresste Zuschauer
Empfohlen wird eine leichte Kost. Anstelle von fetten Snacks kann man Rüebli-Stängel, Baumnüsse, Apfelschnitze oder jetzt auch die köstlich schmeckenden Erdbeeren verzehren. Eine gute Zwischenmahlzeit sind Bananen, die viel Kalium und Magnesium enthalten.
 
Auch ein Müesli, das vor oder nach dem Spiel verzehrt wird, ist eine gute Quelle für Mineralstoffe. Auf jeden Fall sind Vollkornprodukte der Industriekost vorzuziehen. Wie ich in meinem Buch „Richtig gut einkaufen – Die moderne Lebensmittelkunde für den Alltag“, das 2005 im Verlag Textatelier.com erschienen ist, erwähnte, entfalten Vollkornprodukte u. a. folgende Effekte: Senkung des „schädlichen“ LDL-Cholesterins, Senkung eines Bluthochdruckes und einen Gefässschutz (Arteriosklerosevorbeugung, geringeres Risiko für Herzinfarkt und Schlaganfall).
 
Zusätzlich werde ich vor den Spielen der deutschen Nationalmannschaft immer eine Magnesium-Tablette einnehmen. Magnesium ist nämlich Balsam für Herz und Nerven. Stresseinflüsse und ihre schädigenden Wirkungen auf den Organismus werden durch Mangel an Magnesium verstärkt. Wer unter Stress alkoholische Getränke zu sich nimmt, der tut sich nichts Gutes an. Denn Alkohol bewirkt einen noch weiteren Magnesiumverlust.
 
Als Getränke empfehle ich Folgende: Mineralwasser, alkoholfreies Bier, verdünnten Apfelsaft (2 bis 3 Teile Mineralwasser und 1 Teil Apfelsaft), Früchtetees, Gemüsesäfte, Molke, beruhigende Tees mit Melisse, Lindenblüte, Hopfen und Brombeerblätter. Man braucht also keine Lifestyle- und Sport-Getränke.
*
Nun wollen wir hoffen, dass wir uns nicht allzu sehr aufregen. Wir sollten daran denken, dass unser Herz Schwerstarbeit verrichten muss, um die Belastungen zu bewältigen. Sollte es tatsächlich möglich sein, dass ein eingefleischter Fussballfan die Ratschläge des Professors oder meiner Frau während eines aufregenden Spiels beherzigt? Ich meine den Ratschlag: „Es ist doch nur ein Spiel!“ oder „Man sollte die WM nicht zu ernst nehmen!“ Ich bin zwar überzeugt, dass das bei einem eingefleischten Fan nicht klappt.
 
Das erging mir so beim Eröffnungsspiel Deutschland–Costa Rica (4:2) vom Freitagabend, 9. Juni 2006. Da hatte ich mir so viel vorgenommen, ruhig zu bleiben. Dann machte mir wieder der Schiedsrichter einen Strich durch die Rechnung. Er gab nämlich ein Abseitstor für die Costa Ricaner, dann vergaben die Deutschen durch ihre leichtsinnige Spielweise in der Abwehr einen klaren Sieg. Beim Anschlusstor der Gäste zum 3:2 war Hochspannung angesagt. Erst das 4:2 kurz vor Schluss brachte die Erlösung und eine Pulsberuhigung. Nun kann ich mich in aller Ruhe wieder dem Blogschreiben widmen.
 
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