Textatelier
BLOG vom: 12.05.2007

Eine Regenfahrt ins Elsass: Der Grand Ballon war unsichtbar

Autor: Heinz Scholz, Schopfheim D
 
Vor einer Woche erhielt ich die Einladung von meinem Wanderfreund Toni zu einer Fahrt ins Elsass. Die Reise sollte eine Inspektionsfahrt für den Sängerbund Rümmingen (unweit von Lörrach gelegen) sein, da im September ein Vereinsausflug mit etwa 50 Personen geplant ist. Schliesslich müssen die Hauptverantwortlichen des Vereins alles erkunden, Plätze in den Gasthäusern reservieren und das Essen aussuchen.
 
Am 8. Mai 2007 war es so weit: Jürgen, Wolfgang und Toni – es sind alles tüchtige Sänger des Sängerbunds Rümmingen (Kreis Lörrach D) – und ich machten uns um 9.00 Uhr mit dem Auto von Jürgen auf den Weg. Wir fuhren über Neuenburg, Mülhausen (Mulhouse), an Eguisheim und Colmar vorbei zum Lac Blanc. Aufenthalte in den schönen Orten Eguisheim und Kaysersberg (hier wurde Albert Schweitzer geboren) verzichteten wir, da bei der späteren Busfahrt wenig Zeit für andere Aktivitäten übrig bleiben würde.
 
Leider hatten auch wir an diesem Tag kein Glück mit dem Wetter. Es goss zeitweise in Strömen. Nur ab und zu kam die Sonne heraus, aber in den Vogesen herrschte dichter Nebel. Toni schilderte uns auf dem Pass zwischen dem Markstein und dem Hartmannswillerkopf und bei der kurvenreichen Abfahrt zur Ferme Molkenrain und Thann den sonst schönen Ausblick in den herrlichsten Farben. Bei schönem Wetter würden wir die Rheinebene mit Mülhausen, Basel, Freiburg im Breisgau und Colmar, aber auch den Schwarzwald, den Jura und bei exzellenten Wetterbedingungen sogar einen Teil der Alpen sehen, sagte er. Nur sahen wir an diesem Tag nichts von all dieser Herrlichkeit der Landschaft. Bloss schemenhaft tauchten einige Bäume und das auf dem Pass gelegene Restaurant in der Nebelsuppe auf. Zum Glück kannte ich die Gegend schon. Vor vielleicht 10 Jahren wanderten wir über den Grand Ballon. Auch die 3- und 4-Seen-Tour waren mir noch in guter Erinnerung. Damals hatten wir immer das schönste Wetter.
 
30 000 Soldaten liessen hier ihr Leben
Am 8. Mai hatten wir überall freie Fahrt. Kein Lastkraftwagen versperrte unsere Wege. Es war nämlich in Frankreich ein Nationalfeiertag: Der Tag der Befreiung zum Gedenken an die Kapitulation Nazi-Deutschlands wurde „gefeiert“. Als wir an einem Soldatenfriedhof vorbei kamen (im südlichen Elsass gibt es mehrere, auch einen deutschen Friedhof) und ich die unzähligen Kreuze erblickte, fragte ich mich, warum eigentlich die Menschen so blöd sind und immer wieder Kriege führen. Aber Kriege werden immer noch von machtgierigen Politikern und unfähigen Präsidenten angezettelt. Alle haben aus der Vergangenheit wohl nichts gelernt. Wann hört das Morden endlich auf?
 
Wir fuhren auch an der Gedenkstätte Hartmannswillerkopf  vorbei. Der Hartmannswillerkopf (956 m) war im 1. Weltkrieg zwischen Deutschen und Franzosen hart umkämpft. Etwa 30 000 Soldaten liessen hier ihr Leben. Das Denkmal wurde bereits 1918 errichtet und 1921 unter Denkmalschutz gestellt.
 
Am Lac Blanc
Unseren 1. Aufenthalt machten wir am Lac Blanc (Weisser See) oberhalb von Orbey. Er ist der grösste See der Vorgesen. Der eiszeitliche Gebirgssee liegt auf einer Höhe von 1052 m ü. M. Zusammen mit dem südlich gelegenen Lac Noir (Schwarzer See) bildet der Lac Blanc eine Gruppe für das Pumpspeicherkraftwerk. Hier oben befindet sich ein Kletterfelsen. Auf dem Gipfel ist eine Madonnenfigur zu sehen. Scherzhaft meinte ein Teilnehmer, wer diesen Kletterfelsen bezwinge, der sehe zuerst die Füsse der Madonna, die er dann inniglich aus Dankbarkeit küsse.
 
In der „Auberge Le Mille Mètres“, am grossen Parkplatz des Sees gelegen, kehrten wir ein und stärkten uns mit Elsässer Wein. Der Pinot Blanc kostete 6,40 Euro pro halber Liter. Da wurde uns warm ums Herz, und wir konnten dann beschwingt Richtung Grand Ballon fahren.
 
Kälte und Nebel auf dem Grand Ballon
Wie schon erwähnt, sahen wir vom Gipfel des Grand Ballon (Grosser Belchen) nicht viel. Kein Blick auf die Radarstation oder das Denkmal Diables bleus war uns vergönnt. Der 1424 m hohe Berg ist auch unter den Namen Sulzer oder Gebweiler Belchen (franz. Ballon de Guebwiller) bekannt. Guebwiller (dt. Gebweiler) ist die nächstgelegene Stadt.
 
Der Grand Ballon ist übrigens der kälteste Ort des Elsass. Am 10. Februar 1956 sank die Temperatur auf –30,2 °C. Die höchste Temperatur wurde am 13. August 2003 mit 27 °C gemessen. Das wusste ich bisher nicht. Man lernt also nie aus.
 
Das Denkmal Diables bleus (Blaue Teufel, nach einem Gebirgsjägerbataillon benannt) wurde 1927 errichtet und von Raymond Poincaré eingeweiht. Aber dann kamen die Deutschen und zerstörten das Denkmal im Jahre 1940. Es wurde jedoch 1960 durch den Bildhauer Bouret wieder hergestellt.
 
Nach einer kurzen Rast im Nebel fuhr uns Jürgen zur Ferme Molkenrain. Wie Toni bemerkte, soll diese Ferme die älteste im Elsass sein. Der Molkenrain ist auch eine Bergkuppe der südlichen Vogesen im Oberelsass. Hier wurden Szenen aus dem Film Jules und Jim von François Truffant gedreht. Das war 1962.
 
Auf der Ferme Auberge du Molkenrain – Besitzer ist Familie Pfauwadel – speisten wir fürstlich. Für 10 Euro bekamen wir reichlich leicht geräuchertes Schweinefleisch (bei uns würde das als Schäufele durchgehen) mit warmen Kartoffelsalat. Dazu tranken wir zunächst den Weisswein Auxerrois (ein Verschnitt aus Pinot Blanc und Riesling). Alle Vier beurteilten den aromatischen Wein als zu süss. Auch die anderen Weissweine waren nicht nach unserem Geschmack. Der Edelzwicker mundete uns etwas besser, war uns aber immer noch nicht trocken genug. Dieser Wein ist ein rustikaler Verschnitt aus Silvaner, Traminer oder Silvaner und Pinot oder Riesling. Wir Feinschmecker aus dem Badischen bevorzugen nämlich trockene Weine, und der Gutedel ist unser Topfavorit.
 
Der Finger des heilig gesprochenen Theobald
Letzte Station im Elsass war die Ortschaft Thann. Die Ortsbezeichnung leitet sich von einer Reliquie ab. Nach einer Sage vermachte der umbrische Bischof Theobald (gest. 1160) seinem Diener einen kostbaren Ring. Nach Ableben des Bischofs versuchte der Diener den Ring vom Finger zu ziehen. Dabei ging der ganze Finger mit. Der Diener verbarg den Finger samt Ring im Knauf seines Reisestabes und machte sich auf den Weg in seine Heimat nach Lothringen. Er rastete unter 3 Tannen. Am nächsten Morgen liess sich der Wanderstab, den er an eine Tanne gelehnt hatte, nicht mehr entfernen. Am Ort des Wunders entstand bald eine Wallfahrt.
 
Thann hat einen sehr schönen Stadtkern mit vielen alten Häusern. Trotz Regens lustwandelten wir mit Regenjacke und Regenschirm durch die engen Gassen. Ein Höhepunkt war die Besichtigung der dreischiffigen ehemaligen Stiftskirche St-Thiébaut. Kunstinteressierte finden hier Teile der Frühgotik (1232–1246), der Hochgotik (1351–1423), Spätgotik (1430–1492) und der Nachgotik (1629–31). Neugotisch sind die Strebepfeiler und grosse Teile der Ausstattung. Wir waren vor lauter Begeisterung ganz aus dem Häuschen, als wir die Altarschnitzereien, das geschnitzte Chorgestühl aus dem 15. Jh. und das einzigartige, reich skulpturierte mittelalterliche Figurenportal erblickten. Auf dem grossartigen Figurenportal sind Szenen aus dem Leben Mariens dargestellt. Das filigrane Portal ist eine Skulpturarbeit in höchster Vollendung.
 
Schöner Ausklang
Wir fuhren von Thann aus über Mulhouse nach Neuenburg und machten die Schlusseinkehr im Landgasthof „Mattenmühle“ in Obereggenen. Wir speisten vorzüglich und genossen einen trockenen Gutedel. Wohlgesättigt machten wir uns wieder auf den Heimweg. Und schon klarte der Himmel auf, die Sonne strahlte uns entgegen.
 
Es war trotz Regen ein ereignisreicher Tag, der uns doch Freude bereitete. Wir erzählten Witze, genossen das hervorragende Essen im Elsass und im Markgräflerland und tranken einen vorzüglichen Wein.  Was will man mehr?
 
Literatur
Hans Gercke: „Elsass“, ADAC Reiseführer, München 2005.
 
Internet
http://de.wikipedia.org (Infos über Molkenrain, Grosser Belchen, Lac Blanc, Kaysersberg)
 
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