Textatelier
BLOG vom: 03.12.2007

Kantonsspital Liestal: „Information zur ärztlichen Betreuung“

Autorin: Lislott Pfaff, Schriftstellerin, Liestal BL
 
Bei meinem Aufenthalt im Kantonsspital Liestal BL vom 13. bis 16.07.2007 ist mir ein Merkblatt „Information zur ärztlichen Betreuung 7 B/C“ überreicht worden. Am 09.08.2007 habe ich meine Erfahrungen in einem Schreiben an die Spitaldirektion und die ärztliche Leitung wie folgt niedergelegt:
 
Sehr geehrte Herren,
Ich wurde am 13.07.07 morgens um 9 Uhr in der Notfallstation Ihres Spitals eingeliefert. Diagnose (die ich jedoch erst später erfuhr): viraler Infekt mit Bronchitis, sehr starkem Husten, ohne Beteiligung der Lunge.
 
Beim Transport durch die langen Spitalkorridore fror ich jämmerlich, da ständig Zugluft herrschte. Eine zusätzliche wärmende Decke wäre angesichts meines Hustens kein Luxus gewesen, aber der Pfleger, der mich in die Röntgenstation rollte, sagte nur: „Das ist halt bei uns so.“
 
Eine Eintrittsuntersuchung durch die Stationsärztin, wie in der Broschüre versprochen, fand nicht statt. Dafür wurde ich zur Aufnahme der Anamnese zweimal von je einem Arzt i. A. (in Ausbildung) und einer Ärztin i. A. sehr ausführlich befragt, das erste Mal in der Notfallstation und das zweite Mal im Patientenzimmer – was mir sehr zeitaufwendig und überflüssig vorkam und jedenfalls für mich als von einem anstrengenden Bronchialhusten geplagte Patientin ermüdend war.
 
Am Morgen nach meiner Einlieferung, also einen Tag später, hatte ich noch keine Ahnung, welche Befunde die ärztlichen Abklärungen ergeben hatten und was für Therapien für mich vorgesehen waren. Auch hier eine leere Versprechung in Ihrem Informationsblatt. Als ich deshalb die Nerven verlor und in Weinen ausbrach, wollte man mich mit einem Benzodiazepin „trösten“. Ein tröstliches Gespräch mit einem Arzt wäre mir lieber gewesen.
 
Es war mir ständig sehr schlecht, ich konnte fast nichts essen (Körpergewicht: 42 kg) und erwachte jeweils nachts in einem unbeschreiblichen Zustand von Schwäche und Übelkeit. Diesen Zustand habe ich der Stationsärztin beschrieben, aber ausser einem kaum wirksamen Medikament gegen Übelkeit wurden diese Symptome nicht untersucht und auch nichts weiter dagegen unternommen.
 
Den Oberarzt habe ich zweimal gesehen, das erste Mal bei einer mehr als formal-unpersönlichen Vorstellung – ohne Besprechung meiner Probleme – im Patientenzimmer, das zweite Mal anlässlich der Chefarztvisite, wobei mich der Oberarzt mit einer anderen Patienten verwechselte (!).
 
Wie in der Broschüre empfohlen, wollte ich mich gegen Ende meines Aufenthalts bei der betreuenden Pflegeperson zu einem Gespräch mit dem Chefarzt anmelden. Aber sie weigerte sich, diese Unterredung zu organisieren, hatte offensichtlich grosse Hemmungen, meinen Wunsch zu übermitteln, und verwies mich an die Stationsärztin. Diese reagierte auf meine Bitte sehr negativ und wollte wissen, weshalb ich ein solches Gespräch wünsche. Das alles im Widerspruch zum Versprechen in der Broschüre: „Wir sind jedoch gerne zu einem Gespräch mit Ihnen auch ausserhalb der Visitenzeiten bereit …“
 
All diese Erfahrungen brachten mich dazu, Ihr Spital schon am vierten Tag zu verlassen, obwohl die Stationsärztin grosse Bedenken hatte, mich gehen zu lassen (ich lebe allein und war deshalb angesichts meines prekären Gesundheitszustands auf Hilfe angewiesen).
 
Über meinen Hausarzt liess ich mich dann in die Ita-Wegman-Klinik Arlesheim einweisen. Während meines dortigen Aufenthalts (27.06.–11.07.2007) kam ich mir im Vergleich zum Kantonsspital Liestal (Zweistern-Hotel) wie in einem Fünfstern-Hotel vor: Pflege und Betreuung waren optimal, die Atmosphäre sehr menschlich. Da ich als allgemein versicherte Patientin mit meinem Husten auch nachts die anderen Kranken in einem Dreibettzimmer störte, wurde ich für meinen ganzen Aufenthalt ohne zusätzliche Kosten meinerseits in ein Einzelzimmer verlegt. Zur Behandlung meines extrem starken Hustens erhielt ich regelmässig Brust- und Rückenwickel, Fussbäder usw., was ich als ungemein wohltuend empfand. Jedenfalls wurde ich meine Bronchitis innerhalb von ca. zehn Tagen los und befinde mich auch hinsichtlich einer allgemeinen körperlichen Schwäche (offenbar Folge der Infektion) zum Glück auf dem Wege der Besserung.
 
Ich hoffe, dass die obigen Informationen zu einer Veränderung der organisatorischen Abläufe und der Qualität der Patientenbetreuung am Kantonsspital Liestal beitragen werden, und grüsse Sie freundlich:
Lislott Pfaff
 
 
Nachklänge
Aufgrund dieses Briefs entschuldigte sich der Chefarzt des Kantonsspitals Liestal, Prof. Dr. med. Werner Zimmerli, in einer ausführlichen Antwort für gewisse Tatsachen. Ich beantwortete dieses Schreiben dahingehend, dass es mir mit meiner Kritik nicht darum gegangen sei, irgendwelchen Spitalmitarbeitern Vorwürfe zu machen, „sondern einfach darum, meinen Eindruck aufgrund meiner Erfahrungen offen festzuhalten und auf Diskrepanzen zwischen Ihren ,Informationen zur ärztlichen Betreuung’ und der Realität im Spitalalltag hinzuweisen. Denn ich nahm an, dass eine solche ehrliche Kritik dazu beitragen könnte, gewisse organisatorische Schwächen am Kantonsspital Liestal auszumerzen und damit ganz allgemein den Ruf des Spitals zu verbessern.“
 
Ich hatte meine Spitalerlebnisse in einer Mundart-Kolumne in der „Oberbaselbieter Zeitung (ObZ) poinitiert und in dichterischer Freiheit zum Ausdruck gebracht (siehe Anhang). Auch diese war Gegenstand des Schreibens von Prof. Zimmerli. Meine Erklärungen zu diesem Punkt:
 
„Was meine Kolumne in der ,ObZ’ anbelangt, so ist diese wöchentlich erscheinende Publikation als Satire gemeint, und ein satirischer Text muss bekanntlich wie eine Karikatur überzeichnet sein, um zu wirken. Allerdings war ich schon etwas aufgebracht, dass der Notfall-Oberarzt, Herr Schweizer, sich kaum um meine Beschwerden kümmerte und nur meine Beteiligung an dem neuen Bakterien-/Virus-Test wichtig zu nehmen schien. Das war auch der Grund, weshalb ich eine Teilnahme an der Studie verweigerte – zugegebenermassen eine Trotzreaktion; denn mein Einverständnis hätte ja für mich und meine Gesundheit keine Folgen gehabt. Es handelte sich hier jedoch keineswegs um eine klinische Studie, sondern lediglich um die Prüfung eines neuen Bluttests (Unterscheidung zwischen viralem und bakteriellem Infekt).
 
Ebenfalls nicht gerade erfreut hat mich Ihre Bemerkung während der ,Chefarztvisite’ vom 14.06.07, ich hätte doch als ehemalige Mitarbeiterin eines Pharmakonzerns lernen müssen, ‚rational zu reagieren’. Mit anderen Worten, Sie kritisierten meinen emotionalen Ausbruch im Patientenzimmer am gleichen Morgen, als ich mich völlig unverstanden fühlte und darüber nicht nur wütend, sondern auch frustriert war. Im Übrigen habe ich noch nie an einer Arbeitsstelle so viele emotional bedingte Krankheiten – Depressionen, Neurosen usw., die sogar zum Suizid führten – angetroffen wie gerade auf jener redaktionellen Abteilung der Ciba-Geigy AG, wo ich als Übersetzerin tätig war. Fazit: ‚rationale’ Wissenschaft schützt vor Emotionen nicht …
 
Die Befragung auf der Notfallstation war alles andere als nur kursorisch, wie Sie schreiben. Es handelte sich um eine eingehende Aufnahme der Anamnese, die sicher – von meinen Hustenanfällen unterbrochen – etwa eine halbe Stunde dauerte. Ich hatte den Eindruck, dass diese Details meines Krankheitsbildes mehr als ausreichend waren, um mich medizinisch optimal behandeln zu können. Die zweite Anamnese brachte nach meinem Dafürhalten keine weiteren wichtigen Hinweise für die Behandlung zutage.
 
Nachdem Sie mir am 14.06.07 mitgeteilt hatten, dass es sich bei meinem Zustand um einen viralen Infekt handelte, war mir klar, dass ich kein Antibiotikum brauchte. Übrigens habe ich auch nie eine antibakterielle Therapie verlangt; im Gegenteil, ich teilte dem Notfall-Oberarzt mit, dass ich auch bei Nachweis eines bakteriellen Infekts kein Antibiotikum einnehmen möchte, es sei denn, es gehe um Leben und Tod. Vor dem Codein hatte ich Respekt, weil es bei mir nach vorheriger Einnahme starke Übelkeit hervorgerufen hatte. Möglicherweise war jedoch diese in der Folge wochenlang anhaltende Übelkeit auf eine kurz vor Ausbruch der Bronchitis erfolgte Aspirinmedikation zurückzuführen, durch die mein Magen noch belastet war.
 
Was mich während meines Aufenthalts in der Ita Wegman-Klinik (27.06.–11.7.07) vor allem beeindruckte, war die sehr menschliche Atmosphäre und einige wohltuende Therapien wie zum Beispiel Brustwickel mit Thymianöl – für solche Fälle sehr zu empfehlen! Ich weiss nicht, ob Behandlungen dieser Art in der Schulmedizin überhaupt zu einer ,rationalen Arzneimitteltherapie’ (wie Sie sie anstreben) zählen. Jedenfalls trugen sie dazu bei, meine Bronchitis in relativ kurzer Zeit zu heilen.
 
Abschliessend möchte ich Ihnen danken, dass Sie sich die Zeit genommen haben, meinen Brief so eingehend zu beantworten. Sicher trägt diese Korrespondenz zu einer Verbesserung des gegenseitigen Verständnisses zwischen Ärzten und Patienten während eines stationären Spitalaufenthalts bei.
 
Mit freundlichen Grüssen:
Lislott Pfaff
 
Anhang
 
D Alice vo Lieschtel meint…
Sii dänkesy: My Kollegin, d Erna, het z Lieschtel as Notfall ins Spital müese. Die armi Hutte het gwueschtet wien en alti Loki vom Waldeburgerli.. En Alptraum syg das gsii, het sii mer verzellt. Vom Morgen am nüüni bis am zwölfi syg sii uf dr Nofallstazion gläge, heig gschnuderet und gwueschtet. Und s Wichtigscht, wo dr Oberarzt heig welle wüsse, syg gsii, öb sii au binere Studie well mitmache für e neue Tescht mit Bakterie – oder eso öppis. „My Chranket het en überhaupt nit inträsiert. Sy eigetlig d Paziänte für d Studie vo de Dökter doo oder d Dökter fürs Studium vo de Paziänte?“ – „He tue jetz nit eso“, han y gseit, „neume müese sii dänk das neu Züüg uusprobiere…“ – „Jojo, aber nit an mir“, het d Erna brummlet. Zmydag heig sii äntlig chönnen in e Bett ligge, imene Viererzimmer – dr zweut Alptraum. Was sii für e Chranket heig, heig sii au zobe nonig gwüsst und heig halt eifach wytergwueschtet die ganzi Nacht.
 
„Am andere Morge“, het d Erna brichtet, „han y efang brüelt vor Verzwyflig, und do hei sii mer e sone Seelepillen aanegleit zum Beruige Aber i haa dä Glücksbringer vom Vasella nit gschlückt. Spöter heigere derno dr Schefarzt erklärt, sii heig e Virus und chömm keini Antibiotika über – gottseidank…“ – „Ebe gsehsch“, han y gseit, „sii gäbe jo die Anti- dings numme, wenn s nötig isch.“ – „Derfür verteile sii süscht ihri Pille, ass s nimme schön isch“, het d Erna gfunde: 
Pilleli, Pilleli, rybedy-raa,
hesch hüt dyni siibe Pille scho ghaa?
Eini am Morgen und eini für d Nacht
und eini gege das, wo die anderi macht.
Eini isch blau, und eini isch rot,
und wenn se nit schlücksch, bisch morn zobe tot.“ 
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