BLOG vom: 14.02.2008
Milch von Turbokühen und Alpkühen: Welche ist viel besser?
Autor: Heinz Scholz, Wissenschaftspublizist, Schopfheim D
„Aus gesundheitlichen und ökologischen Gründen ist die Milch von Kühen mit Grünfütterung eindeutig einer konventionellen Milch vorzuziehen.“
(Greenpeace, www.greenpeace.de)
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„Es ist ein falscher Ansatz, ausschliesslich in eine wirtschaftlich optimale Milchproduktion zu investieren und Kühe zu züchten, die immer mehr Milch geben und immer kürzer leben.“
(Heinrich Dörflinger, Lörrach)
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In meinem Buch „Richtig gut einkaufen – Die moderne Lebensmittelkunde für den Alltag“ (Verlag Textatelier. com, Biberstein, 2005) erwähnte ich im Kapitel über die Milch eine Spitzenkuh, die die unglaubliche Menge von 12 400 Liter Milch im Jahr lieferte. Ich war damals schon der Ansicht, dass diese Leistung wohl nicht mehr übertroffen werden kann. Falsch gedacht. Nun gibt es eine Kuh namens „Rodica“ vom Hof des Landwirts Horst Erb aus Ichenheim (Baden-Württemberg), die sage und schreibe im vergangenen Jahr 13 972 Liter Milch produziert hat. Die zweitplazierte Kuh „Elisa“ von Rudolf Müller, Maugenhard, lieferte immerhin noch 11 456 und die drittplatzierte „Oase“ von Andreas Birk, Oberharmersbach, noch 10 224 Liter Milch pro Jahr.
Die Ergebnisse wurden vom Fleckzuchtverein Südliche Rheinebene in Neuenburg kürzlich bekanntgegeben. Die „Badische Zeitung“ (Ausgabe vom 26.01.2008) war von einer solchen Leistung so euphorisiert, dass sie in der Überschrift der Siegerkuh eine Milchleistung von 146 000 Liter Milch pro Jahr andichtete ...
Die Superkuh „Rodica“ liefert ein Traumergebnis an „guter“ Milch mit 4,75 % Fett und 4,05 % Eiweiss. Die Beurteilung der Qualität wird nämlich am Fett- und Eiweissgehalt ermittelt. Die anderen Bestandteile der Milch werden nicht berücksichtigt.
Die Rinderrasse Nr. 1 in BW ist das Fleckvieh. Sie sieht aus wie die „Milka-Kuh“, ist aber nicht blau, sondern gelb-braun. An 2. und 3. Stelle der Beliebtheitsskala stehen der Schwarzbunte Holsteiner und das Braunvieh.
Traumergebnis auch für den Zuchtbullen
Nur eine Bemerkung nebenbei: Bei der Veranstaltung des Fleckzuchtvereins im Januar 2008 wurden auch die „Herren der Vierbeiner“ gekürt. Der Zuchtbulle „Robi“ erreichte mit 15 000 künstlichen Besamungen im Jahr ein Traumergebnis. Er sorgte bisher immer für einen gesunden Nachwuchs. Die Nachkommen haben dann „gute Beine, hochsitzende, stramme Euter mit einer hohen Milchleistung“. Die künstliche Begattung wird wohl der Kuh weniger gefallen, dafür dürfte der Bauer jubeln. Hat er doch keine lahme Kuh im Stall, sondern eine leistungsstarke.
Aber es gibt auch noch gute Nachrichten für Kühe und Bullen: 20 % der baden-württembergischen Züchter halten nicht viel von der künstlichen Besamung ihrer Kühe. Sie lassen ihre Vierbeiner auf natürliche und artgerechte Weise von Bullen decken. Das kann man ihnen nicht hoch genug anrechnen – eine wirklich tierfreundliche Haltung.
Bauern stehen unter Druck
Nach der Publikation in der „Badischen Zeitung“ schrieb Heinrich Dörflinger aus Lörrach einen Leserbrief. Er betonte, dass der Begriff Jahresmilchproduktion und die Auflistung der Hochleistungskühe dazu führt, dass die Milchbäuerinnen und Bauern immer mehr unter wirtschaftlichen Druck geraten. Ich zitiere wichtige Details aus diesem Brief: „Vor 40 Jahren gaben unsere Kühe etwa 4000 Liter Milch. Sie wurden artgerecht gehalten, auf Kraftfutter wurde verzichtet, und doch hatten wir eine Hochleistungskuh, jedenfalls in sportlicher Hinsicht. Sie hiess Snow, gab wenig Milch, dafür konnte sie über Gräben springen und leider auch über Weidezäune. Snow wurde 12 Jahre alt. Heute werden Kühe mit sinkender Milchleistung radikal aussortiert und getötet. Es ist ein falscher Ansatz, ausschliesslich in eine wirtschaftlich optimale Milchproduktion zu investieren und Kühe zu züchten, die immer mehr Milch geben und immer kürzer leben. Der Milchpreis muss steigen – aber die Kühe sollen auch etwas davon haben.“
Das finde ich richtig. Vor einigen Jahren sprach ich mit Hildebrand Jost von einem Aussiedlerhof bei Maulburg D. Er sagte mir, dass die meisten Kühe heute eiweiss- und energiereiches Mastfutter (hauptsächlich Mais, Soja) bekommen. Die so gefütterten Kühe sind nach wenigen Jahren „ausgelaugt“. Er verzichtet auf Soja- und Maisfütterung, sondern gibt seinen Kühen Kleegras. Dieses kann dreimal im Jahr geschnitten werden und eignet sich auch für die Silage. Eine Kuh des Biobauern Jost liefert pro Jahr etwa 4000 Liter Milch (siehe Blog vom 01.10.2006: „Grünfutter: Milchqualität macht die Gentechnik überflüssig“).
Der Agraringenieur Daniel Weiss von der Fachhochschule Weihenstephan D bezeichnet das Verfüttern von Mais und Soja an Kühe als „volkswirtschaftlichen Schwachsinn“. Es wird mit hohem Aufwand ein gesundheitlich nicht so gutes Produkt erzeugt. „Masse statt Klasse“ könnte man dazu sagen.
Was viele Verbraucher nicht wissen: Gesunde Fette sind besonders in der Milch bei Grünfütterung vorhanden. „Greenpeace“ publizierte 2006 eine Aufstellung, aus der hervorging, dass die Omega-3-Fettsäuren am höchsten in der Milch sind, wenn am wenigsten Mais verfüttert wurde. So enthielt beispielsweise eine Milch aus dem Voralpengebiet 12,1 % Omega-3-FS im Milchfett bei einem Anteil von Mais in der Fütterung von 6,9 %. Erhöhte sich der Maisanteil auf etwa 50 %, waren nur noch 5,9 % Omega-3-FS vorhanden. Der Grund dafür ist Folgender: Gras enthält in seinem Fettanteil bis zu 60 % Omega-3-FS, während in Mais nur wenig von dieser Fettsäure vorhanden ist.
Omega-3-FS verhindern übrigens Gefässverschlüsse, wirken einem unregelmässigen Herzschlagrhythmus entgegen und senken auch einen erhöhten Blutdruck.
Omega-3-Kühe von der Alm
„Spiegel Online“ berichtete am 27.01.2008 über „Omega-3-Kühe“ von der Alm. Auch in dieser Publikation wird auf die bewährte Grünfütterung hingewiesen. Untersuchungen des „Schweizer Bergmilchprojekts“ ergaben nämlich, dass die Milch von der Alm einen besonders hohen Gehalt an Omega-3-FS und anderen ungesättigten Fettsäuren hat. Je höher die Kühe grasten, umso gehaltvoller war die Milch an den gesunden Fettsäuren. Die Ergebnisse wurden in der Zeitschrift „Agrarforschung“ (Band 15, S. 38‒43) publiziert.
Sie werden sich fragen, warum gerade in höheren Almlagen, wo die Vegetation kärger ist, so viel von gesunden Fettsäuren in die Milch gelangen. Hier spielt nicht nur der höhere Gehalt an gesunden Fetten im Gras eine Rolle, sondern auch der Verdauungsprozess in den Rindermägen. In der kargen Vegetation der hochgelegenen Almen hat das Gras einen geringeren Nährwert. Dieser „Mangel“ wirkt sich auf den mikrobiellen Stoffwechsel aus. Die Fettsäure-Hydration wird gebremst (erhält die Kuh nährstoffreiches Futter, erhöht sich auch die Hydrierung der Omega-3-FS; es entstehen also vermehrt gesättigte Fette). Dann spielt noch etwas anderes eine wichtige Rolle. Das Gras auf den Almweiden ist mit vielen Kräutern versetzt. Die Inhaltsstoffe dieser Kräuter (Polyphenole, Terpenoide) bedingen wiederum eine Hemmung des Bakterienwachstums in den Kuhmägen.
Auch der Käse ist gut
Walter Bisig, Lebensmittelexperte der Schweizerischen Hochschule für Landwirtschaft, erklärte gegenüber „Spiegel Online“, dass man mit 100 g Käse aus der untersuchten Milch von der Alm mehr als ¼ des Tagesbedarfs an Omega-3-FS decken kann.
Der „Walliser Bote“ hatte bereits am 08.01.2003 eine Superschlagzeile, die so lautete: „Alpkäse gegen den Herzinfarkt?“ Schon damals wiesen Schweizer Mediziner und Forscher der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) Zürich nach, dass im Alpkäse viele gesunde Fettsäuren vorhanden sind. Die Fachleute vermuten, dass die Langlebigkeit der Bewohner bestimmter Bergregionen durch den regelmässigen Verzehr von Alpkäse hervorgerufen wird.
Noch eine Information von einem Alpkäseproduzenten: Wie die Genossenschaft Urner Alpkäseproduzenten (www.alpkaese.com) betont, wird der Urner Alpkäse aus frischer Milch von Kühen hergestellt, die sich von Gras und Kräutern von Almen auf einer Höhe von 1350 bis 2000 m ü. M. ernähren. Der Käse wird auf der Alp hergestellt und dann in dafür ausgebauten Kellern gelagert.
Wer also gern Milch trinkt oder Käse verzehrt, sollte auf solche Produkte zurückgreifen, die von artgerecht gehaltenen Kühen stammen. Die mit Grünfutter versorgten Vierbeiner liefern eindeutig eine bessere Milchqualität und machen die Gentechnik überflüssig.
Hinweis auf weitere Blogs zum Thema Milch
09.03.2006: Der Milchmann kommt bei uns in London täglich
01.03.2005: Kalberei aus Amtsstuben um Hanf im Kuhstall
Hinweis auf weitere Blogs von Eisenkopf Werner
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