Textatelier
BLOG vom: 15.11.2008

Wanderung zum Hotzenwald: Alter Zwilling und Gänsekeulen

Autor: Heinz Scholz, Wissenschaftspublizist, Schopfheim D
 
Am 10.11.2008 unternahmen Toni, Ewald und ich bei schönem Fönwetter eine Wanderung vom Wehratal aus zum Hotzenwald nach Hornberg. Der Hotzenwald wird als Sonnenterrasse des Südschwarzwalds bezeichnet. In der Tat hat man von dort oben einen herrlichen Blick auf das Wehra-, Rhein- und Wiesental, über den Dinkelberg bis hin zum Schweizer Jura und zu den Vogesen. Und bei klarer Wetterlage kann man sogar den Mönch, den Eiger und die Jungfrau und die anderen hohen Berge des Berner Oberlands erblicken. Leider vernachlässigten wir das Gebiet in den letzten Jahren, da uns andere Ziele mehr am Herzen lagen. Aber nun wollten wir unbedingt diese schönen Eindrücke wieder einmal auf uns einwirken lassen.
 
Wir begannen unsere Wanderung am Kavernenkraftwerk Wehr (zirka 430 m. ü. M.), das sich am Stausee in der Wehraschlucht befindet. Die wildromantische, tief eingeschnittene Schlucht von alpinen Dimensionen ist auf reine Erosionstätigkeit der Wehra zurückzuführen. Während der letzten Eiszeit waren grosse Gebiete des Südschwarzwalds mit Eis bedeckt. Mächtige Wassermassen strömten das Tal hinunter und formten in mehreren Jahrtausenden die Schlucht der Wehra. Der Hotzenwald und das Wehratal bestehen hauptsächlich aus Gneis und Granit.
 
Der 6 km lange Aufstieg nach Hornberg (970 m ü. M.) ist gut ausgeschildert und kann mit einer kleinen Trinkpause in etwa 2 Stunden bewältigt werden. Der 1. Teil der Strecke bis zur Ehwaldhütte bereitet keine Schwierigkeiten, da der breite Naturweg langsam ansteigt. Nach der besagen Hütte geht es auf einem Pfad steil bergauf.
 
Während unseres Aufstiegs durch einen Bannwald frequentierten wir einige schön gelegene Hütten, die gut im Schuss waren. Nennen möchte ich die Häuelhütte, Felsenhütte und Ehwaldhütte. Von der Felsenhütte aus hatten wir einen herrlichen Blick auf die über 300 m tiefer gelegene Wehraschlucht. Die 10 km lange Schlucht zwischen Todtmoos-Au und Wehr gehört zu den eindrucksvollsten und schönsten Gebirgstälern. Neben dem Bachbett verläuft heute eine gut ausgebaute Strasse durch die Schlucht.
 
Alter Zwilling und romantische Hütten
Ein paar Hundert Meter vor der Häuelhütte kamen wir an einem Naturdenkmal, der Zwillingsbuche, vorbei. Der imposante, 300 Jahre alte Zwilling ist 44 m hoch, besitzt einen Umfang von 6,10 m und hat eine Holzmasse von 45 Festmetern. Leider brach vor einiger Zeit der eine Stamm im oberen Bereich ab. Reste des mächtigen Stammes, der anscheinend von einem Pilz befallen war, sahen wir am Boden entlang des Weges zersägt liegen. Schade um diesen ehemals herrlichen Baum, den wir bei unserer letzten Wanderung vor 3 Jahren noch intakt gesehen hatten.
 
Wir gingen auf dem Ehwaldweg weiter und erreichten bald darauf die Ehwaldhütte. An der Hütte prangte eine Holztafel, auf der mit eingebrannten Buchstaben der Name zu lesen war. Auch auf unserem Weg konnten wir die eine oder andere hölzerne Hinweistafel erblicken. Aber der Name war falsch geschrieben. Das „h“ fehlte auf sämtlichen Schildern des Holzkünstlers. Vielleicht dachte der Künstler beim Schreiben an den Vornamen Ewald. Und da war er auf dem Holzweg.
 
An der Hütte prangte der folgende Auszug aus dem 1. Hüttenbuch der Ehwaldhütte vom 12. Juli 1896: „Die Ehwaldhütte an der steil abfallenden Bergwand der linken Thalseite der Wehra, 770 Meter hoch gelegen, oberhalb des Ebenfelsens, da, wo der sogenannte mittlere Ehwaldweg in den oberen Ehwaldweg einmündet, ist in den Jahren 1895 und 1896 erbaut worden. Die Bewilligung der zum Bau erforderlichen Mittel ist dem langjährigen Referenten für den Forstbezirk Säckingen, dem Oberforstrat Konstantin Fröhlisch zu verdanken.
 
Die Erbauung der Hütte geschah nach einer Skizze des Grossh. Oberförsters Hermann Krautinger, welche derselbe s. Z. nach dem Muster der Hüttenbauten des Grossh. Oberförsters Anselm Gutmann in Stockach gezeichnet hatte.
 
Die Bauleitung besorgte der Waldstrassenbaumeister Karl Trunkenbolz von Wehr, sowie der Forstrat Johann Baptist Huber von Hornberg.“
 
Die Hütte wurde 1950 von den „Naturfreunden Grenzach“ als Ruine übernommen und wieder aufgebaut. Sie bietet Platz für 20 Personen, hat einen grossen Aufenthaltsraum, einen kleinen Nebenraum, eine Küche, einen Schlafraum für 6 Personen und einen Schlafraum für 14 Personen. Die Hütte kann auch von Nichtmitgliedern gemietet werden.
 
Schützenswerter Bannwald
An den Hütten sind Infotafeln über den Bannwald, die Wehraschlucht, Lebensraum von Tieren und über die Waldgesellschaften angebracht. 1970 wurde das Gebiet zum Bannwald erklärt. Zweck der Ausweisung „war der Schutz ungleichartiger Laub- und Nadelholzmischbestände auf den extremen Steilhängen und Felspartien“.
 
Im Mittelalter wurde in leichter zugänglichen Teilen des Ehwalds Holz für das Wehrer Eisenwerk geschlagen. Um 1860 folgte der Wegebau, um den Holztransport zu ermöglichen. Der Einschlag hielt sich jedoch in Grenzen. Der letzte Holzeinschlag fand 1952 statt. Seitdem wird hier im Bannwald kein Baum mehr vom Menschen gefällt.
 
Ich finde es gut, wenn solche urwaldähnlichen Wälder der Nachwelt erhalten bleiben. Die Bannwälder bieten darüber hinaus für zahlreiche Tiere einen Lebensraum. Auf den felsigen Gebieten des Wehratals tummeln sich auch einige Gemsen. In den 1950er-Jahren wanderte das Gemswild in das Tal ein. Damals wurden 10 Tiere gezählt. Heute liegt der Bestand deutlich darüber. Leider habe ich in diesem und anderen Gebieten des Südschwarzwalds noch keine Gams zu Gesicht bekommen.
 
Unweit der Ehwaldhütte geht es in einer scharfen Rechtskurve auf einem steilen Pfad hinauf zur Gemeinde Hornberg, die seit 1974 zu Herrischried gehört (www.herrischried.de und www.hotzenwald.de). Als wir den Wald verliessen, konnten wir am Eichstock den ersten Blick in die eingangs erwähnten Täler und dem Schweizer Jura sehen. Ich konnte es kaum glauben, dass an diesem Tag auch die hohe Bergkette des Berner Oberlands am Horizont zu erkennen war. Ein unglaublich schöner Anblick, der unsere Seele frohlocken liess. Wir rissen uns von dieser Schönheit los und wanderten weiter nach Hornberg. Am Wegesrand sahen wir noch einen Gedenkstein mit einem Kreuz. Wie die Aufschrift besagte, verunglückte 1956 an dieser Stelle die 21-Jährige Fr. Huber mit dem Motorrad tödlich.
 
Gänsekeulen ‒ ein kulinarischer Genuss
Wir schlenderten weiter und erreichten bald darauf das „Jägerstübli“ in Hornberg. Hier wollten wir unseren Hunger und Durst stillen. In diesem Stübli erlebten wir eine kulinarische Überraschung. Angeboten wurden ‒ wohl auf Grund des nahenden Martinstages am 11.11. ‒ gegrillte Gänsekeulen und Gänsebrust mit Rotkohl und Kartoffelknödel. Und wir nahmen das Angebot wahr und schlugen uns die Bäuche voll. Das Essen war bis auf die fad schmeckenden Kartoffelknödel hervorragend.
 
Hier noch die Preise: Gericht mit Gänsekeule 12,80 Euro, Gericht mit Gänsebrust 14,80 Euro und das Mahl mit beiden Delikatessen 16,80 Euro.
 
Verschlammter Weg und Fall eines Bloggers
Mit vollen Bäuchen machten wir uns nach einer ausgiebigen Mittagspause auf den Rückweg. Auch hier war der Weg gut ausgeschildert. Wir folgten der schwarz-weissen Raute auf gelbem Grund, gingen am Kleisslerstein vorbei und wanderten frohen Muts ins Tal. Wir dachten, so in 1,5 Stunden würden wir wieder am Kavernenkraftwerk sein. Aber da täuschten wir uns. Wir brauchten wegen unvorhersehbaren Ereignissen etwa 30 Minuten länger.
 
Auf Teilstrecken unseres Wegs hatten Waldarbeiter mit ihren schweren Traktoren und Baggerfahrzeugen tiefe, verschlammte Spuren hinterlassen. Wir gingen soweit wie möglich abseits der tiefen Rillen am Rand des Wegs entlang. Dann hörte plötzlich der breite Weg auf und mündete in einen schmalen laubbedeckten Fussweg. Wir atmeten auf, denn nun konnte es geschwind bergab gehen. Aber auch hier kamen uns immer wieder gefällte Bäume, die über dem Wanderweg lagen, in die Quere. Wir mussten darunter oder darüber steigen. Es waren gute gymnastische Übungen für den Rücken. An einer Stelle ging es nicht mehr weiter. Auf dem Weg lagen viele Bäumchen mit ihren Ästen. Nach einer kurzen Überlegung entschlossen wir uns, einen Weg abseits des normalen Wegs zu suchen. Auf dem Ersatzweg lagen auch noch Äste herum. Obwohl ich meine Wanderstöcke benutzte, flog ich über das Geäst zu Boden. Nur mit Mühe konnte ich mich aufrappeln. Zum Glück hatte ich nur Aufschürfungen am rechten Knie davongetragen, so dass ich den Rest des Wegs, der dann besser wurde, bewältigen konnte.
 
Auf einer Bank in der Nähe eines Gedenksteines konnten wir uns ausruhen und den schönen Blick auf die Ruine Bärenfels, den Wehra-Stausee und auf Wehr geniessen. Die Föhnwolken vermehrten sich, die Sonne spiegelte sich im Stausee. Die Reflektion war so stark, dass ich kein vernünftiges Foto machen konnte. Bald darauf gingen wir zu unserem Ausgangspunkt auf dem Parkplatz des Kavernenkraftwerkes zurück.
 
Fazit: Es war wiederum eine schöne Wanderung auf abenteuerlichen Wegen unter der fachkundigen Führung von Wanderfreund Toni aus Lörrach.
 
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