Textatelier
BLOG vom: 23.12.2008

Die Weihnachtspost: Mehrheitlich immer noch auf Papier

Autorin: Rita Lorenzetti, Zürich-Altstetten
 
Manchmal möchte ich wissen, wie viele Hände eine eben erhaltene Sendung weitergegeben haben.
 
Das wattierte Couvert aus Paris sollte seine Geschichte erzählen können. Es ist zerknittert, aber nicht beschädigt. Seine Rückseite arg verschmutzt, vermutlich in den Schneematsch gefallen. Seine Dekoration, die Briefmarken aus der Serie „Bonnes Fêtes“, aber farbenfroh. Abgestempelt in Paris-La-Vilette. Der blaue Prioritaire-Kleber beteiligt an der speditiven Reise. In nur 4 Tagen kam die Sendung bei uns an. Ein Strichcode, grün umrahmt und mit Vermerk „abgabefrei“ versehen, wird mitgeholfen haben. Wichtig auch der in der Mitte angebrachte Strichcode aus Zürich-Mülligen, dem Ankunftsort am Stadtrand von Zürich. Rot gedruckt heisst es da „International“ und Post Pac Priority.
 
Alles Worte, Bezeichnungen. Doch welche Drücke musste der Umschlag aushalten? Zuerst einmal die Last weiterer Sendungen im Briefkasten im 17. Arrondissement, wo meine Enkelkinder wohnen. Hatte er kalt, und ist es ihm vielleicht übel geworden, als die Postsäcke in rasender Fahrt nach La Villette gebracht wurden? Und erst beim Ausladen und Ausschütten auf die Fliessbänder, wie fühlte sich das an? Gab es auch freundliche Hände, die einzelne Sendungen aufhoben, wenn sie herunterfielen und ihnen den Weg zum Ziel sicherten?
 
Lebten meine Grosseltern noch, sie würden staunen, wie schnell und effizient uns die internationale Post heute bedient. Damals war es wie ein Wunder, wenn Nachrichten von ausgewanderten Söhnen oder Töchtern auf den Weihnachtsabend in der Heimat eintrafen. Es gab da viele Geschichten, die dieses Thema bearbeiteten. Ich weiss nicht, ob sie reines Wunschdenken waren.
 
Dem Umschlag habe ich ein festlich verpacktes Geschenk entnommen und für Weihnachten zur Seite gelegt. Gelesen habe ich die Glückwünsche von den Kindern. Die zweijährige Nora schenkte uns energiegeladene Filzstiftschwünge und Mena gestaltete eine Karte. Auf ein feines Baumwollflies platzierte sie kleinste Blätter und feinste Gräser und fixierte das Arrangement mit einer transparenten Folie auf einer roten Karte. Was sie vielleicht gar nicht bemerkte: Unter der durchsichtigen Haut befindet sich auch ein kleines, gelocktes Haar. Dieses erinnert mich an den alten Brauch, Schmuckstücke aus Haar anzufertigen. Mussten die Mütter früherer Jahrhunderte ihre Kinder früh ziehen lassen, wünschten sie, dass etwas Lebendiges von ihnen zurückbliebe. In der Familie von Primo habe ich ein aus Haaren hergestelltes Armband gesehen, das die in Gold gefasste Foto einer verstorbenen Tochter umfing.
 
Heute berühren wir mehrheitlich nur noch eine Tastatur, um mit unseren Kindern, Enkeln und Freunden, die weit ab von uns im Ausland leben, verbunden zu bleiben. Der Internetanschluss ist zur Selbstverständlichkeit geworden. Ihm verdanken wir den schnellen Transport von Worten, Bildern und kleinen Filmen. Wir sind einander nahe, ohne aber die persönliche Ausstrahlung zu spüren und ohne Spannungen ertragen zu müssen.
 
Der Computer ist überall. Auch schon in der Liste des Existenzminimums? Was machen eigentlich Familien, die sich keinen Computer leisten können? Es ist Primo und mir bis jetzt noch gelungen, ohne Fernsehen zu leben. Den Computer abzulehnen, wäre weit schwieriger.
 
Wir können heute gar nicht mehr bescheiden leben. Die Zwänge sind gross. Hat sich eine technische Errungenschaft durchgesetzt, will sie benützt werden.
 
Ich selber habe mich unter einem gewissen Zwang für den Computer entschieden und bereue es nicht. Und doch stört es mich, wenn ich erkenne, dass wir im Grunde keine freien Menschen sind. Wir reden es uns nur ein. Der Zeitgeist mischt immer mit.
 
Aber ganz hat er uns noch nicht unter Kontrolle. Sonst würde mir der Postbote nicht täglich ein paar handschriftliche Weihnachtsgrüsse bringen.
 
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