Textatelier
BLOG vom: 19.04.2010

Kuriositäten der Woche: Fehlbarer Papst und Verschleierer

Autor: Heinz Scholz, Wissenschaftspublizist, Schopfheim D
 
Beim Lesen der Print- und Online-Ausgaben von Zeitungen gab es im Verlaufe der vergangenen Woche einige schier unglaubliche Höhepunkte und Kuriositäten zu entdecken.
 
Wird der Papst inhaftiert?
Die beste und kurioseste Meldung war die Folgende: Die prominenten Atheisten Richard Dawkins und Christopher Hitchens drängten die Justiz, Papst Benedikt XVI. bei seinem Grossbritannien-Besuch vom 16. bis 19.09.2010 zu inhaftieren. Er habe sich, so die Ankläger, schuldig gemacht, weil Vorkommnisse von Missbrauchsfällen durch Priester angeblich verschleiert wurden.
 
Dieser arme und langsam entscheidende Papst, der so viel für die gebeutelte Kirche getan hat! Nun überlegen etliche Verantwortliche im Vatikan, den Papst „aus der Schusslinie“ zu nehmen. Ein Bauernopfer haben sie angeblich schon gefunden.
 
Es darf doch nicht sein, dass ein Papst fehlbar ist! Der „Spiegel“ widmete dem Papst eine längere Geschichte und zweifelte die Unfehlbarkeit des Papsts an. Der Titel des Hefts lautete „Der (Un)fehlbare Papst“. So werden Welten zum Einsturz gebracht.
 
Wer etwas Phantasie hat, stelle sich einmal vor, wie der Papst in einer schummrigen Zelle bei Wasser und Brot dahinschmoren würde. Aber der Wunsch der Atheisten wird sich wohl nicht erfüllen. Der Kölner Erzbischof Kardinal Joachim Meisner verglich in einer Predigt Dawkins Ideen mit denjenigen der Nationalsozialisten.
 
Der damalige Herr Ratzinger, so erklärte der Pressesprecher des Vatikans, Padre Ciro Benedettini, habe den Fall Stephen Kiesle aus Kalifornien in den 80er-Jahren nicht gedeckt. Als Präfekt der Glaubenskongregation gab er bekannt, der Missbrauchsfall sollte doch gründlicher untersucht werden, „zum Wohle aller Beteiligten“.
 
Der israelischen Aussenministerin Zipi Livni wäre dies im letzten Jahr beinahe passiert. Die Palästinenser hatten sie wegen der Kriegsverbrechen im Gaza-Streifen verklagt. Was blieb der Dame übrig, als die Reise nach Grossbritannien im letzten Jahr abzusagen?
 
Walter Hess teilte mir in einer E-Mail am 13.04.2010 zum Vorschlag, den Papst verhaften zu lassen, dies mit: „Als bekennender Atheist befürworte ich ebenfalls die Festnahme von Herrn Ratzinger (im Tausch gegen Jörg Kachelmann). Lieber falsche Wetterprognosen als diese ständigen päpstlichen Fehlbarkeiten.“
 
Nicht anzeigen, lieber ins Gefängnis gehen
Es vergeht kaum ein Tag, an dem kein Skandal aus den himmlischen Sphären bekannt wird. Als in Frankreich die Taten eines pädophilen Priesters (mindestens 11 Missbrauchsfälle!) einem Bischof gemeldet wurden, verzichtete dieser auf eine Anzeige. Daraufhin wurde er vom damaligen Präfekten der Kongregation für den Klerus, Dario Castrillon Hoyos, sogar gelobt, einen pädophilen Priester nicht angezeigt zu haben. Das brisante Schreiben vom 08.09.2001 hatte u. a. folgenden Inhalt: „Sie haben wohl gehandelt, und ich freue mich, einen Mitbruder im Episkopat zu haben, der es vor den Augen der Geschichte und allen anderen Bischöfen vorzieht, lieber ins Gefängnis zu gehen, als einen anderen Priester zu denunzieren.“
 
Bereits im Oktober, also vor Abfassung des Belobigungsschreibens, wurde der Pädophile zu 18 Jahren Gefängnis und der „vorbildliche“ Bischof zu 3 Monaten mit Bewährung verurteilt(www.spiegel.de vom 16.04.2010).
 
Schlagkräftige Kleriker
Auch die schlagkräftigen Taten von Priestern und von Bischof Walter Mixa im Schulunterricht vergangener Tage wurden bekannt (letztendlich kommen die Vertuschungsversuche immer wieder heraus). Zunächst wurde kräftig dementiert, dann hat sich der Bischof plötzlich erinnert, es könnten vielleicht doch vor 20 oder 30 Jahren einige Watschereien im Kinderheim St. Josef in Schrobenhausen gegeben haben. Nun fordern viele den Rücktritt des Kirchenmanns. Aber da kann man wohl lange warten.
 
Kommentar von Walter Hess (in einer an mich persönlich gerichteten E-Mail): „Manchmal rutscht halt ein zartes, mit Schmuckringen verziertes Bischofhändchen aus … und Vertuschungen müssen doch sein – wegen der sonst den Böcken davonlaufenden Schäfchen.“
 
Ein verärgerter Leser der „Badischen Zeitung“ äusserte sich wegen der unsäglichen Verbalien und Vertuschungsversuchen so: „Mit den verknöcherten Finger auf andere zeigen (laut Mixa ist die sexuelle Revolution Schuld an den Missbrauchsfällen), um von der eigenen Schuld abzulenken. Wann streichen wir diesen hohen Herren endlich ihre fürstlichen Staatsgehälter und Pensionen?“
 
Auch wir erlebten in den 50- und 60er Jahren als Schüler so manche Züchtigung von Lehrern und Patres. Aber damals regte sich kein Elternteil auf. Im Gegenteil; die Eltern vertraten die Auffassung, wir hätten die Ohrfeigen oder das Hochziehen an den Haaren verdient. „Strafe muss sein – und die Ohrfeigen haben keinem geschadet“, so oder Ähnliches hörte ich von den Erwachsenen. Aus diesem Grund wurde den Eltern kaum etwas über Prügelstrafen und Missbräuche erzählt, als manch einer nochmals eine hinter die Löffel bekam.
 
Die Karikaturisten haben Hochkonjunktur
In vielen Zeichnungen der Karikaturisten und Gags der Kabarettisten wurde das Thema „Missbrauch durch Kleriker“ ausführlich dargelegt. Hier 3 Beispiele der letzten Tage:
 
„Polo“ zeichnete in der Online-Ausgabe des „Spiegels“  ein Kasperletheater. Da waren der Kasper und hinter ihm ein Bischof mit heraushängender Zunge zu sehen. Der Kasper konnte ihn nicht sehen, deshalb riefen die Zuschauer: „Vorsicht, Vorsicht Kasperle!“
 
Ein Verunglückter liegt in der Nähe einer Berghütte auf einer Trage, umringt von 3 Helfern und einem Priester. Der Priester hat ein Kreuz in der Hand, da richtet sich der Verletzte mit letzter Kraft auf und schleudert ihm folgende Worte entgegen: „Nicht schlagen, bitte!“
 
Im hervorragenden WDR-Kabarettprogramm „Mitternachtsspitzen“ am 17.04.2010 wurde ein neues Verkehrsschild gezeigt. Auf dem roten Warn-Dreieck-Schild waren 2 Kinder, die von einem Priester verfolgt wurden, aufgemalt. Jürgen Becker, Moderator der Sendung, bezeichnete das Schild so: „Vorsicht, katholische Kirche.“
 
In der gleichen Sendung wurde auch ein Kirchenfenster aus Zürich gezeigt. In der Glasmalerei ist ein Knabe zu sehen, der vor einem Priester kniet, der Kopf des Knaben auf Hosenladenhöhe es frommen Mannes. Es wurde dann gesagt, dass solch ein Bild heute eine ganz andere Bedeutung und Aussage habe.
 
Und nun noch einige andere Meldungen, die wohl mehr in den heiteren Sektor passen.
 
„Ossi“ ist keine Diskriminierung
Eine 49-Jährige aus dem Osten der Republik (liebevoll „Ossi“ genannt, es gibt ja auch die Bezeichnung „Wessi“) verklagte eine mittelständische Firma in Oberbayern wegen Diskriminierung. Sie erhielt die Bewerbungsunterlagen zurückgeschickt. Auf dem Lebenslauf der Buchhalterin entdeckte sie die handschriftliche Bemerkung „(-) Ossi“. Die Richter wiesen die Klage ab, weil „Ossi“ kein eigener Volksstamm ist. Es liege also keine gesetzlich verbotene Diskriminierung vor.
 
Der Arbeitgeber ist trotzdem der Dumme. Er erhielt schon über 100 beleidigende Anrufe. Auch verzeichnete er einen Umsatzrückgang. Wahrscheinlich durch die „Ossis“.
 
Nach Angaben der Firma wurde die Frau wegen mangelnder Qualifikation abgelehnt. Den Ausdruck „Ossi“ bezeichnete die Firma sogar als positiv. Der Unternehmer hat nämlich gute Erfahrungen mit den „Ossis“ bisher gehabt. Die Notiz sei versehentlich an die Klägerin gelangt.
 
Stuttmann hat auch hier wieder eine amüsante Karikatur am 16.04.2010 abgeliefert. Ein älteres Ehepaar wandert mit Einkaufstüten nach Hause. Der Mann sagte: „Früher haben sie uns jahrelang als DDR nicht anerkannt…“ und die Frau entgegnete: „… und jetzt nicht mal mehr als Ossis!“
 
Nun, die Ossis haben diesbezüglich ausgespielt. Sie gehören, wie gesagt, nicht zu einem seltenen deutschen Volksstamm.
 
Frau klaut Mann
Das gibt es nur in den USA: Dort hat eine betrogene Ehefrau vor Gericht 9 Millionen erstritten und zwar nicht vom treulosen Ehemann, sondern von der Geliebten. Der Mann liess sie mit 2 Kindern sitzen, reichte die Scheidung ein und zahlte keinen Unterhalt. Da kam der Anwalt der 60-jährigen Cynthia Shackelford auf die glorreiche Idee, die Geliebte, die ihren Mann „geraubt“ hatte, zu verklagen. Dies war möglich, weil im sittenstrengen North Carolina ein 200 Jahre altes Diebstahlgesetz existiert. Dasselbe Gesetz ist übrigens in noch 5 anderen Staaten (Illinois, Hawaii, Mississippi, New Hampshire, New Mexiko) gültig. Wenn also eine fremde Person in eine Ehe eindringt und dann mit einem Partner verschwindet, gilt das als „Liebesdiebstahl“. 200 Klagen werden allein in North Carolina pro Jahr eingereicht.
 
Die Frau des Treulosen wird wohl nicht viel vom Geld sehen, aber es war ihr eine Genugtuung, und der gewonnene Prozess sollte ein Warnung an alle Frauen, die ein Auge auf einen verheirateten Kerl geworfen hat, sein (Quelle: “Focus Online“ vom 14.04.2010). Also aufgepasst, treulose Frauen und Männer! Aber keine Angst. Nur die in 6 Bundesstaaten der USA sollten sich vor Schadenersatzklagen in Acht nehmen.
 
Käsebrot essen als Strafe
Diese kuriose Strafe wurde an einer US-„Highschool“ im Bundesstaat New Jersey verhängt. Dort warfen nämlich beim Mittagsmahl die Kinder mit Essen herum. Sie wollten ihren Zoff mit diesen Wurfgeschossen abreagieren. Nun hatten die Mitarbeiter der Schulmensa die Nase voll und verhängten als Strafe das Essen von trockenem Käsebrot während 2 Tagen.
 
Ein Mutter beschwerte sich und sagte, das sei ein unzumutbarer Gefängnisfrass (vielleicht bekam ihr Kind zuhause Fast-Food, was auch nicht besser ist). Die Schulbehörde entgegnete, dass sie diese Methode schon länger erfolgreich praktiziere.
Es ist unglaublich, wie manche – auch Erwachsene –  mit dem Essen umgehen.
 
Auch bei uns in Deutschland wird viel weggeworfen. Ich denke da immer an die armen hungernden Kinder in Afrika und anderswo.
 
Erst neulich erzählte mir ein Vater, seine Kinder würden nur wenig vom reich gedeckten Tisch essen;  sie sind in der Tat sehr wählerisch. Wenn dies eintritt, bringt der Vater immer das Beispiel mit den hungernden Kindern vor. Die Hungernden würden nämlich froh sein, wenn sie so manchen Bissen vom Tisch der Übersättigten bekämen. Er hofft, dass die Kinder bald zur Einsicht kommen und richtig essen. Aber da wird er wohl noch lange hoffen können.
 
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