Textatelier
BLOG vom: 05.08.2010

Statt der Wanderung nach Heitersheim ging's zur Weinprobe

Autor: Heinz Scholz, Wissenschaftspublizist, Schopfheim D
 
Am 28.07.2010 plante unser Wanderführer Toni von Lörrach eine Wanderung, die uns von Sulzburg (genauer gesagt: Bad-Sulzburg, dort sind heute nur einige Häuser und kein Bad) am Kaibenkopf (940 m ü. M.) vorbei zur Almgaststätte Kälbelescheuer (1040 m) führen sollte. Dort wollten wir die Spezialitäten des Hauses und die schöne Aussicht geniessen. Wir freuten uns schon darauf. Der Wetterbericht von Kachelmann (www.meteomedia.de) versprach ein ideales Wanderwetter: Angenehme Temperaturen, kaum Regen. Aber es kam ganz anders. Wir – Walter von Steinen, Toni von Lörrach und Ewald von Schopfheim – fuhren los, benutzten die Autobahn und verliessen dann diese und fuhren nach Müllheim und von dort in Richtung Staufen.
 
Zunächst regnete es tröpfchenweise, dann wurde der Regen immer stärker. Einhellig beschlossen wir, die Tour nicht anzugehen, sondern alternativ nach Heitersheim zu fahren und auf dem Rückweg eine Weinprobe in Britzingen zu machen. Das war sicherlich angenehmer als die 600 Höhenmeter von Bad Sulzburg zur Kälbelescheuer keuchend zu überwinden.
 
Malteserstadt Heitersheim
Toni war schon in der Malteserstadt Heitersheim und er schwärmte vom Schlosspark und von der Römervilla, die wir unbedingt ansehen sollten. Aber auch dieses Vorhaben fiel buchstäblich ins Wasser. Ich ging zum Eingang der überdachten Ausgrabungsstätte und wollte Prospekte holen, während die anderen Insassen im Auto zurück blieben. Aber auch hier war Endstation. Die Römervilla war erst ab 13.00 Uhr zu besichtigen.
 
Dann wanderten wir vom Parkplatz der Römervilla trotz des Regens, der zum Glück etwas nachliess, zum Park des Malteserschlosses. Die Wege im Park waren mit exakt geschnittenen Buchsbüschen eingerahmt. Toni empfahl uns, das Museum im Schloss zu besichtigen. Aber auch hier hatten wir Pech. Das Museum war ebenfalls geschlossen. Es ist erst ab 14.30 Uhr an den Mittwochen geöffnet (Sonn- und Feiertage: 11.00–12.30 Uhr, 14.30–17.00 Uhr).
Wie ich später erfahren sollte, sind die Eintritte in dieses Museum und auch in die Römervilla kostenlos. Dies ist nicht selbstverständlich. Woanders wird man gnadenlos geschröpft.
 
Dann fuhren wir in die Altstadt von Heitersheim, um uns dort umzusehen. Unser Ziel war vorerst die Tourist-Information im Rathaus. Nach einer kleinen Irrfahrt um das Alte Rathaus herum, fanden wir die genannte Stelle.
 
Das Alte Rathaus aus dem 19. Jahrhundert ist ein Schmuckstück der besonderen Art. Es wurde in mehreren Bauabschnitten zum Rathaus mit Turm und Turmuhr umgebaut. Dieses weist eine neogotische Fassade mit Staffelgiebel auf. Das Treppenhaus, das wir natürlich nicht sehen konnten, hat eine Wendeltreppe, die bis in den Speicher mit grünen Türmchen als Abschluss führt. An der Giebelseite ist das spätbarocke Heitersheimer Stadtwappen mit der Fürstenkrone von 1847 sichtbar. Das Gebäude wird heute nicht mehr als Rathaus genutzt. Im Erdgeschoss befindet sich der örtliche Polizeiposten.
 
Von der sehr freundlichen Helga Hiss in der Infozentrale erhielt ich jede Menge Prospekte, Radwanderkarten, eine Karte vom Markgräfler Wiiwegli und die Infoschrift „Entdeckungen entlang der Badischen Weinstrasse“.
 
Auf dem Tresen der Infozentrale entdeckte ich einige Exemplare der „Römerseife“. Mit solchen feinen Seifen haben sich wahrscheinlich nicht die alten Römer gewaschen, sondern die Leute von heute. Folgende Seifen lagen zum Verkauf bereit:
 
Amor-Rosenseife – die Sinnliche. Die Seife enthält Rosenöl und „verkörpert den beliebtesten römischen Duft. Er beflügelt Inspiration, Kreativität und Fantasie, verleiht sinnliche Ausstrahlung und Wohlbefinden“ (laut Prospekt).
Kaiser-Lorbeerseife – die Stärkende. Die Seife hat ein herbwürziges Aroma, erhöht die Willens- und Widerstandskraft.
Malteser-Sandelholzseife – die Aktivierende. „Sie erfüllt die Sehnsucht nach Wärme, Geborgenheit, Ruhe, Harmonie und Entspannung.“
 
In der Fülle der Prospekte konnte ich die Seifen zwar sehen, aber mich nicht näher damit befassen. Ich nahm einen Prospekt über die Seifen mit. Nun weiss ich, wie die Seifen wirken und werde mich bei nächster Gelegenheit einmal damit eindecken und dann das steigende Wohlbefinden, die Kreativität und Inspiration nicht nur beim Blogschreiben testen.
 
Bevor ich näher auf die Sehenswürdigkeiten eingehe, noch kurz einige Infos über die Stadt selbst. Der Ort wurde 777 u. Z. erstmals im Lorscher Codex erwähnt. In Heitersheim leben Menschen von 50 unterschiedlichen Nationalitäten. Die Einwohnerzahl beträgt 6067 (Stand: Ende 2009). Und noch etwas fiel mir auf, als ich die Haushaltsdaten von 2010 im Internet inspizierte. Die Stadt hat keine Schulden (Stand: 01.01.2010). Da dürften manche Städte in der Umgebung und auch im ganzen Land vor Neid erblassen. Die meisten Städte haben sich ja immens verschuldet.
 
Museum im Schloss
Das Museum im Schloss (ehemals Johanniter- und Maltesermuseum) ist in den Kellergewölben des ehemaligen Kanzleigebäudes untergebracht. Der Besucher kann hier die Geschichte des Malteserschlosses und des Johanniter- und Malteserordens studieren. In einem Vitrinenschrank sind 600 alte Bücher ausgestellt. Lebensgrosse Puppen tragen die Gewänder vergangener Zeiten.
 
Das ehemalige Wasserschloss war 400 Jahre lang der Sitz des Grosspriors. Heute ist das Schloss in Privatbesitz des Ordens der Barmherzigen Schwestern des Heiligen Vinzenz von Paul. Die Gebäude dienen als Altersheim der Schwestern, als Behindertenwerkstätte und Förderschule.
 
Das Schloss hat eine wechselhafte Geschichte zu bieten. 1525 wurde das damalige Schloss von aufständischen Bauern verwüstet. Zum Glück blieb der Wirtschaftshof erhalten. Danach wurde der weitläufige Arkadenhof mit Renaissance-Charakter errichtet. Das schöne Kanzleigebäude stammt aus dem Jahr 1733. Es trägt das prunkvolle Wappen des Grosspriors Philipp Wilhelm von Nesselrode und Reichenstein.
 
Bei den Johanniteranlagen fällt auf, dass die von guten Baumeistern geschaffenen Bauten nicht prunkvoll, sondern wohlproportioniert und präzise ausgeführt wurden.
 
„Persönlich mussten die Ordensmitglieder (nur Adelige konnten volle Mitglieder sein) die Gelübde der Armut, der Keuschheit, des Gehorsams und des Kampfes gegen die Ungläubigen ablegen“, wie Annemarie Heimann-Schwarzweber berichtete. Da hätte ich wohl kaum Chancen für eine Aufnahme in den Orden gehabt.
 
Die römische Villa urbana
Diese Villa ist die einzige bekannte Villa urbana rechts des Rheins. Bei meinem Besuch konnte ich einen Blick durch eine Glasscheibe des gut in die Landschaft integrierten modernen Gebäudes mit den grossflächigen Glasfronten werfen, sah die ausgegrabenen Mauern und andere Objekte.
 
Auf einer Infotafel waren das historische Datengerüst und die Daten zur wissenschaftlichen Erforschung der Villa aufgeführt. In der beheizbaren und mit fliessendem Wasser ausgestatteten Villa, die im mediterranen Stil erbaut wurde, liess sich im 1. Jahrhundert ein römischer Grossgrundbesitzer nieder. Die Villa diente dem Römer und seinen Nachfolgern als Sommerresidenz mit Badhaus, Säulenhallen, Blumengärten und herrschaftlichen Gemächern. Die Anlage war in einen Wohnbereich (pars urbana) und einen Wirtschaftsteil (pars rustica) gegliedert. Im Innenhof befand sich ein 18 m langes Zierwasserbecken.
 
Man kann erahnen, welch prächtiger Repräsentationsbau hier stand. Es wurden nämlich Reste von bemaltem Wandverputz, Mosaiken und Marmorverkleidungen aufgefunden. 5 Bauperioden wurden nachgewiesen. Die Grundfläche betrug nach der 5. Bauperiode 3000 m2. Die Villa bestand bis etwa 275 u. Z. Der Gebäudekomplex wurde durch einen Brand zerstört. Später kamen die Alamannen (nachgewiesen sind Grablegungen in der verfallenen Villa).
 
1996/97 wurde der Schutzbau über dem Kernbereich des römischen Villenhauptgebäudes errichtet. Das Projekt wurde vom Landesdenkmalamt und von der Denkmalstiftung des Landes Baden-Württemberg gefördert. 1998 erfolgte ein Kooperationsvertrag zur wissenschaftlichen Betreuung der Römervilla zwischen der Stadt Heitersheim und der Universität Freiburg.
 
Im Römermuseum gibt es museumspädagogische Angebote für Schüler. Diese lernen beispielsweise das Schreiben auf einer Wachstafel („Schreiben wie die Römer“) oder sie erfahren, wie man Mosaiksteine auf einer Holzunterlage klebt („Römisches Handwerk – das Mosaik“).
 
Sehr interessant ist die Bildfolge über das Museum auf den Internetseiten von Heitersheim. Darunter ist auch eine Infrarot-Luftaufnahme von 1989. Auf einem Feld sind die Umrisse der Mauerreste der Villa deutlich zu sehen. 1991 wurde mit den Ausgrabungen begonnen.
 
Und noch eine Besonderheit wird hier in der Umgebung geboten. Im Weingut Julius Zotz, das in der Nähe des Schlosses liegt, gibt es den „Fontus – Roter Gutedel“. Dieser ist nach dem ersten römischen Villeneigentümer Heitersheims benannt (www.weingut-zotz.de).
 
Auf zur Weinprobe
Da es weiterregnete, was ein Wandern unattraktiv machte, schlug Toni vor, man solle doch auf der Rückfahrt im Weindorf Britzingen halten, um im Weingut und der Privatkellerei Behringer Weine zu verkosten (www.behringer-wein.de). Das liessen wir uns nicht zweimal sagen, zumal die Britzinger Weine, und diese von Behringer im Besonderen, einen ausgezeichneten Ruf haben.
 
Kaum sassen wir in der Probierstube an einem Tisch, gesellte sich schon der sehr sympathische Seniorchef Ernst Behringer zu uns und begann mit der Weinpräsentation. Wir waren besonders auf die Gutedelsorten erpicht.
 
Zunächst erfuhren wir, dass Ernst und Adolf Behringer die Weinerzeugung und Weinbereitung 1893 begannen. Schon damals legten die beiden Brüder Wert auf eine hohe Qualität. Anfangs wurden die Weine im Fass über die benachbarten Gasthäuser verkauft. Erst 1920 wurden die Weine in Flaschen abgefüllt und in ganz Deutschland abgesetzt. Heute werden die Weine von Behringer weltweit vertrieben.
 
Unser Gesprächspartner Ernst Behringer (3. Generation, früher wurde immer der Sohn nach dem Vornamen des Vaters benannt) und sein Bruder übergaben das Geschäft an die Söhne Bernd und Thomas Behringer (4. Generation).
 
Pro Jahr werden 350 000 Flaschen Wein von der Privatkellerei produziert. Wie der Weinkenner sagte, gibt es nur noch wenige Privatkellereien. Die meisten Winzer haben sich einer Genossenschaft angeschlossen.
 
Wir verkosteten innerhalb 1 Stunde folgende Weine: Spätburgunder Weissherbst Auslese Edelsüss (Walter und ich erstanden davon je eine 375 ml-Flasche für unsere Frauen), Gutedel trocken, Weisser Burgunder und Grauer Burgunder, Gutedel halbtrocken, Muskateller und Gewürztraminer. Ich musste mich als Fahrer der Wanderfreunde zurückhalten. Nur ganz kleine Genussproben erfreuten dennoch mein Herz.
 
Der trockene Gutedel war mit einer milden Säure und leicht nussigem Geschmack ausgestattet. Der halbtrockene Gutedel erwies sich als süffiger Wein mit leichter Süsse und angenehmer Säure. Die Weine mundeten allen, und es erfolgte dann auch eine Bestellung.
 
Gut, edel und uralt
Noch einige Worte zum Gutedel, der im Markgräflerland am meisten getrunken wird. Er wird auch „Markgräfler“ genannt. Die Gutedel-Rebe wuchs schon vor tausenden Jahren in der Nähe von Jericho, später bauten die Ägyptern und Römern diese Sorte an.
 
Der Name tauchte bei uns 1621 auf. 2 Jahre zuvor hatte der Basler Botaniker Caspar Bauhin der Traubensorte einen ganz anderen Namen gegeben, den sie heute noch trägt: Fendant (besonders im Wallis/CH). Die Gutedel-Rebe trägt noch einen anderen französischen Namen: Chasselas (besonders im Waadtland/CH).
 
Markgraf Karl Friedrich von Baden-Durlach liess 1780 aus Vevey Rebstecklinge in sein Land bringen und legte den Weinbauern den Anbau ans Herz. Sie folgten seinen Empfehlungen, gaben dem Gutedel noch einen weiteren Namen, nämlich Viviser.
 
Trotz der Verkostung von verschiedenen Weinen vertrugen meine 3 angeheiterten Wandergesellen die Köstlichkeiten ganz gut, sie bekamen später auch kein Kopfbrummen.
 
Nun kann ich bei nächster Gelegenheit – wenn ich nicht fahren muss – (wir wechseln uns ja immer mit dem Fahren ab) mit Freude ein Viertele des leichten und bekömmlichen Gutedels genussvoll trinken.
 
Nach der Weinprobe fuhren wir über Müllheim, Schliengen, Holzen, Hammerstein zum Rüttehof, kehrten dort bei Martina ein und genossen ein köstliches Mahl. Kaum waren wir gesättigt, besserte sich das Wetter. Wir fuhren dann zum Planetenweg und wanderten von der Sonne zum Jupiter, dann wieder zurück. Es war nur eine kurze Wanderung an diesem regnerischen, aber ereignisreichen Tag.
 
Auf jeden Fall werde ich mir Heitersheim bei Sonnenschein einmal ansehen und dann auch die Römervilla und das Schlossmuseum näher in Augenschein nehmen.
 
Internet
 
Literatur
Christen, Hanns U.: „Weinparadies Oberrhein …“, Privatdruck der Offizin Basler Zeitung, Basel 1990.
Heimann-Schwarzweber, Annemarie; Geiges Leif (Fotos): „Kunstführer Markgräflerland“, Mannheim 1986.
 
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