Textatelier
BLOG vom: 01.09.2011

Die Verwüstung von Libyen, genau nach irakischem Vorbild

Autor: Walter Hess, Publizist, Biberstein AG/CH (Textatelier.com)
 
Obschon von den Westmächten 4 Jahrzehnte lang hofiert, war der libysche Machthaber Muammar al-Gaddafi zweifellos keine erfreuliche Erscheinung für die Libyer – und nicht allein für sie. Die Schweiz wollte er abschaffen, als ob es bei uns bis hinauf in die obersten politischen Gremien nicht genügend Leute gäbe, die das ebenfalls anstreben ... Dennoch hatten die USA noch 2009 Gaddhafi (laut WikiLeaks-Dokumenten) zugesichert, ihn mit allen für die Sicherheit des Landes nötigen Gerätschaften auszustatten, kurz bevor er zum blutrünstigsten Diktator der Welt mutierte.
 
Dem libyschen Volk ging es unter diesem Gewaltherrscher allerdings relativ gut, trotz all der demokratischen Defizite und Gewalt gegen Regimegegner. In Bezug auf die Demokratiedefizite war er der übrigen Welt einfach etwas voraus. Denn die Schuldenkrisen in vieler Herren Länder sind ja ebenfalls ein Mittel zum Demokratieabbau (die Staaten werden durch Schuldenlasten gelähmt). In gleicher Richtung wirken die Folgen der Angriffskriege der USA mit Gefolgschaft der übrigen Nato-Länder: sich ausweitende Totalüberwachungsmassnahmen der Gesellschaft.
 
Deutschland nahm diesmal an der militärischen Intervention nicht teil, was das Land und seinen Aussenminister Guido Westerwelle (FDP) ehrt. Doch hat ihm diese Haltung beinahe das Amt gekostet, was auf die desolate Informationslage im Westen schliessen lässt. Die besonders militante „Welt online“ liess am 31.08.2011 verlauten: Deutschlands Schande besteht darin, sich tendenziell in diesen Haufen von Eckenstehern, Bremsern und Saboteuren der Befreiung Libyens eingereiht zu haben.“ „Befreiung“ ist für diesen Akt des Neokolonialismus gut!
 
Gaddafi übte eine Schreckensherrschaft aus, betrieb in Abu Salim, am Stadtrand von Tripolis, ein ähnliches Gefängnis wie die Amerikaner auf Guantánamo (das Obama, wie soeben bekannt wurde, noch ausbauen lassen will), und auch Gaddafi schreckte vor der Folter und ungeheuerlichen Menschenrechtsverletzungen nicht zurück. Doch so miserabel wie jetzt, seit Beginn der skrupellosen Bombardierungen durch alliierte Westmächte, dürfte es dem Land Libyen noch nie ergangen sein. Zuvor war das Leben vergleichsweise angenehm gewesen: Die Einwohner konnten sich gratis medizinisch versorgen lassen (jetzt sind die Spitäler überfüllt oder geschlossen, die Medikamente knapp); es gab Witwen-, Waisen- und Altersrenten. Für Sechs- bis Fünfzehnjährige gab es einen kostenlosen und obligatorischen Schulunterricht. Die Analphabetenrate ist relativ niedrig. Jetzt wird vieles dem Erdboden gleichgemacht.
 
Die Nato verdankt ihre Stärke der Kriegsmacht USA, die sich als arrogante Weltpolizei aufspielt. Seit deren Aufwiegelungen in der arabischen Welt, ihrem Eingreifen in Libyen aufgrund von verlogenen Argumenten (wie das üblich ist) mit westlicher Unterstützung der „Rebellen“ (wer auch immer dazugehören mag) herrschen im Erdölstaat jetzt Chaos und Elend, wie gewünscht. Inzwischen sind nach Angaben der Rebellen seit Beginn des Aufstands gegen das Gaddafi-Regime vor 6 Monaten „mindestens 50 000 Personen ums Leben gekommen“ (laut Rebellen-Kommando) – Kämpfer und Zivilisten. Gräueltaten gab's aufseiten der Gaddafi-Truppen und der Rebellen gleichermassen, wie sogar die Westmedien zugeben mussten.
 
Die Rolle des inzwischen eingesetzten Übergangsrats ist schwer durchschaubar. Er wurde voreilig als „legitime Vertretung des libyschen Volks“ anerkannt. Und in die Karten schauen lassen will er sich schon gar nicht. Er lehnt bezeichnenderweise sogar die Stationierung von Uno-Beobachtern ab – in Übereinstimmung und wohl in Absprache mit den Interventionsmächten. Das unkontrollierte Herumballern ist tatsächlich ganz im Sinne der Krieg führenden Länder, welche die Rebellen aus dem Hintergrund finanzieren und steuern und die ihre willfährigen Medien mit dem abspeisen wollen, was ihrer Zielsetzung (ans Erdöl heranzukommen) und als hilfloser Versuch der Legitimierung ihres Zerstörens dient und nicht, was Fakt ist. Weil sie zweifellos wissen, dass das Völkerrecht einmal mehr ausgehebelt ist und Menschenrechtsverletzungen an der Tagesordnung sind, muss die Uno ferngehalten werden. Der Normalfall.
 
Die Frage, was eine permanente und massive Bombardierung einer Grossstadt wie Tripolis denn soll, kann wahrscheinlich nur mit einem Hinweis auf die Kriegsgeilheit der USA unter dem Oberkrieger Barack Obama und ihrer Adlaten beantwortet werden; es spielt sich wieder haargenau das gleiche Drama wie im Irak ab. Das Gaddafi-Regime gibt es nicht mehr, und Gaddafis Frau Safija, die Söhne Hannibal und Mohammed sowie die Tochter Aischa sind ins benachbarte Algerien geflohen; der Aufenthalt des Despoten selber ist im Moment unbekannt. Das war’s dann.
 
Das Resultat wurde teuer erkauft. Auf den Ernst der Lage im Lande wies Uno-Generalsekretär Ban Ki Moon hin: Die humanitäre Situation erfordere dringendes Eingreifen (aber sicher kein militärisches). „Das Leiden der Bevölkerung muss ein Ende haben“, betonte er am 30.08.2011 vor dem Uno-Sicherheitsrat. Besonders wichtig sei die Wasserversorgung, da etwa 60 Prozent der Bevölkerung jetzt ohne sanitäre Versorgung sei.
 
Die Auswahl der Ziele zur angeblichen Verteidigung der Menschenrechte durch die USA und ihre treu ergebenen Söldnernationen und Söldner erfolgt willkürlich und nach wirtschaftlichen, vor allem energiepolitischen, Interessen. Deshalb kamen Länder wie Bahrein, Syrien und der Jemen bisher ungeschoren davon. Die Rebellen werden zuerst verwöhnt und finanziell und mit Waffen und Munition unterstützt, wie einst die Taliban in Afghanistan gegen Russland, müssen aber früher oder später einsehen, dass sie nur als Werkzeuge der westlichen Interessenpolitik dienten, bei der das Recht des militärisch Stärkeren gilt, der alles Völkerrecht nach Belieben und ungestraft aushebeln kann. Kulturelle Zerstörungen, Zehntausende von Toten und Zonen des Elends werden hingenommen. Man beginnt mit sogenannten Stabilisierungsoperationen und baut diese dann sukzessive zu hochintensiven Kampfführungen aus.
 
Beim Wiederaufbau fehlen dann die Vandalen gerade. Abgesehen von den Reparaturen bei den Erdölförderanlagen.
 
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