Textatelier
BLOG vom: 15.09.2011

Römische Bäder: Vergnügliche Stätten, entrüsteter Seneca

Autor: Heinz Scholz, Wissenschaftspublizist, Schopfheim D
 
„BALLNEA VINA VENUS/CORRUMPUNT CORPORA/
NOSTRA SET VITAM FACIUNT/B V V
„Die Bäder, die Weine, die Liebe/Verderben unsere Körper/
aber sie machen das Leben aus/ die Bäder, die Weine, die Liebe.”
(Antike Grabinschrift)
*
Das römische Badewesen
Die Römer übernahmen von den Griechen eine Badekultur. Vor unserer Zeitrechnung hatten die Griechen schon öffentliche Gemeinschaftsbäder mit Sitzwannen, aber auch Duschen und Pools sowie Saunaräume. Auch Sport- und Bildungsstätten und die Gymnasien hatten Badeanlagen. Die ersten Bäder in Süditalien waren dunkel und wenig einladend. Raumschmuck war ein Fremdwort. Ein Schriftsteller der damaligen Zeit schrieb. „Warum hätte man auch Schmuck verwenden sollen auf eine Sache, die bloss ein viertel As kostete und die für das Bedürfnis, nicht für das Vergnügen erfunden war?“
 
Nach der Eroberung Griechenlands 146 v. u. Z. durch Cornelius Scipio (es war ein Nachfahre des Feldherrn Publius Cornelius Scipio Africanus, der Hannibal vernichtend schlug) änderten sich die römischen Badeverhältnissen schlagartig. Bis Ende des 1. Jahrhunderts war die griechische Badekultur fester Bestandteil des gesellschaftlichen Lebens in Rom und Stätten vergnüglicher Unterhaltung. Natürlich gab es Leute, die gegen diese neumodischen Einrichtungen Sturm liefen. Sie hielten die alten Traditionen ihrer Väter hoch. So war damals das sparsame Waschen üblich. Lucius Annaeus Seneca (1−65 u. Z.) schrieb: „Hier wird wohl manch einer sagen: ,Ich wusste längst, dass sie Ferkel waren. Wie mögen sie gerochen haben!.’ Nun, nach Waffenübung, nach Arbeit, kurz: nach Mannhaftigkeit! Seitdem die feinen Bäder erfunden worden sind, ist man viel schweinischer geworden.“
 
Auf jeden Fall setzten sich die Bäder überall durch. Die römischen Legionäre, Beamten und Führer schätzten die Bäder, die überall in den Provinzen des römischen Imperiums errichtet wurden. So gehörte zu jedem Standlager ein Badegebäude, damit sich jeder Soldat in seiner Freizeit im wohligen Bad tummeln und entspannen konnte. Viele Bäder eigneten sich jedoch nicht zum Schwimmen.
 
Seneca war entrüstet
Seneca, römischer Philosoph, Dramatiker, Naturforscher und Staatsmann, schilderte entrüstet das Treiben im mondänen Heilbad von Baiae bei Neapel seinem Freund Lucilius wie folgt:
 
„Von allen Seiten umtönt mich wirrer Lärm; denn ich wohne gerade oberhalb des Bades. Stelle dir jetzt einmal alle Arten von Tönen vor, die es einen bedauern lassen, dass man Ohren hat. Wenn die Kräftigeren ihre Leibesübungen treiben und dabei ihre Hanteln schwingen, wenn sie sich abarbeiten oder auch bloss so tun, dann höre ich ihr Stöhnen und, sobald sie dem angehaltenen Atem wieder seinen Lauf lassen, ihr Zischen und heftiges Keuchen. Wenn ich aber auf einen Müssiggänger stosse, der sich bescheiden nach plebejischer Manier salben lässt, so höre ich das Klatschen der Hand (des Masseurs) auf den Schultern, das seinen Ton ändert, je nachdem die Hand flach oder hohl aufschlägt. Kommt vollends noch ein Ballspieler dazu, der zählt, wie oft er den Ball abprallen lässt, dann ist es um mich geschehen. Nimm nun noch einen Zankteufel hinzu und einen ertappten Dieb und einen, der gern seine eigene Stimme im Bade ertönen hört; nimm ferner noch hinzu, die, die unter lautem Klatschen des aufplätschernden Wassers ins Schwimmbassin springen! Ausser diesen deren Laute doch wenigstens natürlich sind, denke Dir noch einen Haarausrupfer, der, um sich bemerkbar zu machen, wieder und wieder seine dünne, schrille Stimme hervorpresst und erst schweigt, wenn er jemandem die Haare unter den Achseln ausreisst und so einen anderen an seiner Statt für sich schreien lässt. Endlich die verschiedenen Ausrufe des Kuchenhändlers, der Wurstverkäufer, der Zuckerplätzler und aller Kellner der Kneipen, die sämtlich in ihrer eigentümlichen, durchdringenden Tonweise ihre Waren anpreisen.“
 
Zum Glück geht es in unseren Thermen heute nicht mehr so laut zu. In den Räumen des Römisch Irischen Bades in Badenweiler ist Ruhe absolut Pflicht. In öffentlichen Bädern dagegen ist Lärm angesagt. Auch das Hineinspringen vom Beckenrand wird immer wieder von Jugendlichen praktiziert. Da muss dann der Bademeister energisch eingreifen. Das war für mich neu: Springversuche gab es zu meiner Überraschung schon in den alten Thermalbädern zu Lebzeiten von Seneca.
 
Wo waren die Frauen? Das werden Sie sich fragen. Es gab entweder für Frauen gesonderte Bäder (Frauenthermen gab es zum Beispiel in Augst CH), aber auch Gemeinschaftsbäder. Eine andere Reglung: Frauen badeten am Vormittag, die Männer am Nachmittag. Frauen mussten den doppelten Eintritt entrichten als die Männer. Warum das so war, wurde nicht überliefert. In den kaiserlichen Thermen war jedoch der Eintritt frei.
 
Quintus nimmt ein Bad
Versetzen wir uns einmal fast 2000 Jahre zurück und beobachten einen Römer namens Quintus, wie er ein Badehaus besucht und sich der Badeprozedur hingibt.
 
Er betritt den Auskleideraum (apodyterium), bezahlt den Eintritt an den Bediensteten (capsarius). Dieser Bursche war nur gegen ein Aufgeld bereit, die Bewachung der Garderobe zu übernehmen. (Wohlhabende brachten ihre eigenen Sklaven mit). Schon damals gab es genügend Diebe, die sich die Gewänder (Tunikas, geschnürte Sandalen usw.) und diverse Gegenstände aneigneten. Quintus legte seine Gewänder und Schnür-Sandalen ab und verstaute diese in den längs der Wände befindliche Nischen oder Regale aus Holz oder Stein. Die Badegäste waren nackt, sie schlüpften in Holzsandalen und nahmen ein Leintuch mit. Die Holzsandalen waren deshalb so wichtig, weil bei einer Bodentemperatur von 55−57 °C (dies war notwendig, um den Raum auf 50 °C zu erwärmen) kein Gast dies aushalten konnte. Unser Gast ging dann in einen Raum mit einem Kaltwasserbecken (Frigidarium). Hier reinigte der Eingetretene seinen Körper vom grössten Schmutz. Quintus schritt dann in einen auf 20 bis 30 °C warmen Raum (Tepidarium) und ruhte sich auf einer Bank aus. Wer Lust hatte, konnte sich dann von einem Bediensteten mit spezieller Ausbildung (Unctor) massieren lassen. Schweiss und Öle wurden dann mit einem Schaber (Srigilis) entfernt. Im Tepidarium befanden sich auch einige Sitzbecken, deren Wasser auf Raumtemperatur gehalten wurde. Dann ging Quintus in den nächsten Raum (Caldarium), in der eine Temperatur von 50 °C herrschte. Quintus liess sich dann in einem mit heissem Wasser gefüllten Becken nieder. Er schritt dann in einen angrenzenden Raum, in der eine hohe, trockene Hitze herrschte (sudatorium = Schwitzbad). Hier schwitzte er kräftig. Nach dieser Prozedur begab sich unser Freund wieder ins Tepidarium, dann ins Frigidarium. Dieser Rundgang konnte wiederholt werden. Aber dazu hatte Quintus keine Lust. Er traf sich auch mit Freunden, und schon begann die Schwatzerei.
 
Keine Stätten der Unmoral
Die Bäder dienten nicht nur zur körperlichen Hygiene und zur Erhaltung der Gesundheit. Sie waren auch Mittelpunkt des politischen und gesellschaftlichen Lebens. Hier wurde nicht nur geschwatzt, diskutiert, gelesen (es gab sogar Thermen-Bibliotheken) und gespielt (Würfel- und Ballspiele), selbst Handelsverträge kamen zum Abschluss. Wer sich kräftigen wollte, konnte in den Badeanstalten auch einer sportlichen Betätigung nachgehen. Die Gäste genossen das Freizeiterlebnis im Bad. Besuche zogen sich oft 2 bis 3 Stunden hin.
 
„Das Schmoren des Körpers in der Sonne“ (Seneca) war gerade bei den Älteren sehr beliebt. Der 78-jährige Spurinna sonnte sich jeden Tag nackt in der Sonne, bevor er Ball spielte und dann ins Bad ging.
 
Es gab damals schon Badefreaks, die regelrecht das Baden übertrieben. Spitzenreiter war Commodus mit 7 bis 8 Badbesuchen am Tag. Gallienus folgte dem Spitzenreiter mit 6 bis 7 Thermen-Abstechern.
 
In den Bädern von Prachtvillen wurden die Gäste bei Fackelschein zum nächtlichen Baden aufgefordert.
 
Die Thermen waren laut Prof. Karl-Wilhelm Weeber keinesfalls Stätten der Unmoral. „Dirnen mögen auch hier auf ,Kundenfang’ gegangen sein, aber verschwiegene Hinterzimmer oder bordellartige Einrichtungen sind in den Badeanstalten nicht nachgewiesen. Die wenigen Quellenbelege mit sexuellen Anspielungen reichen sicher nicht aus, das Gegenteil zu beweisen“, so Prof. Weeber.
 
In Badenweiler lernte ich bei meinem Römisch-Irischen Bad einen Hauch der römischen Badekultur kennen. Hier wurde ich allerdings nicht mit Lärm gequält oder mit der Klatscherei von Masseuren konfrontiert. Seneca hätte hier seine wahre Freude gehabt.
 
Literatur
Erdmann, Elisabeth: „Leben unter römischer Herrschaft“, herausgegeben von der Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg, Neckar-Verlag, Villingen-Schwenningen 1986.
Heiligmann, Jörg: „Das römische Badewesen“, Artikel im Heft „Badenweiler – Römische Badruine mit neuem Schutzdach“, Sonderdruck Schlösser Baden Württemberg, Staatsanzeiger Verlag, Stuttgart 2001.
Pörtner, Rudolf: „Mit dem Fahrstuhl in die Römerzeit“, Econ Verlag, Düsseldorf 1959.
Weeber, Karl-Wilhelm: „Baden, spielen, lachen“ (Wie die Römer ihre Freizeit verbrachten), Primus Verlag, Darmstadt 2007.
Werner, Heinz: „Baden, Salben und Heilen in der römischen Antike“, Augster Museumshefte 13, 1993.
 
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