Textatelier
BLOG vom: 20.02.2012

Schüsse auf Bankgeheimnis aus dem US-Steuerschlupfloch

Autor: Walter Hess, Publizist, Biberstein AG/CH (Textatelier.com)
 
Das Verhalten der US-Steuerbehörden zum Bankgeheimnis mit dem verhältnismässig sanften Begriff Doppelmoral zu krönen, ist eine eindeutige Beschönigung – man hat es da schon eher mit einer Zehnfachmoral zu tun. Wenn man ein fernes Land wegen eines Verhaltens, das man selber in einem weit ausgeprägteren Masse pflegt, erpresserisch unter Druck setzt und dort Unternehmen in den Ruin treibt, ist das ein krimineller Akt. Das sollte sich kein Land von den selbst ernannten, arroganten Herren dieser nach US-Vorgaben globalisierten Welt bieten lassen. In der Praxis kommt’s noch dicker: Die auf spätestens mit dem Holocaust fadenscheinig begründeten Abkassierereien auf den Knien herumrutschenden Schweizer Politiker und Banken liefern den Attentätern in diesen Monaten und Tagen vorauseilend Munition in Form von vertraulichen Bankdaten und lassen ihre Kunden ins offene Messer laufen, obschon sie die Erfahrung gelehrt haben müsste, dass diese Daten gegen uns eingesetzt werden.
 
Der Raiffeisenbank-Chef Pierin Vincenz möchte am liebsten alle bei ihm versammelten Kundendaten herumbieten, wie er bei Roger Schawinkskis TV-Verhör am 13.02.2012 zum Besten gab. Mit seiner übers Ziel hinausschiessenden Weissgeldstrategie möchte er weisser als weiss waschen. Der Widerstand gegen die Preisgabe des Bankgeheimnisses ist bei ihm nicht nur erlahmt, was bereits schlimm genug ist, sondern sein Verhalten läuft bereits zu einem Angebot an die internationale „Wertegemeinschaft“ aus Egoisten, die es eben auf das Einsammeln von Werten abgesehen hat. Selbst Schawinski wurde ob der Bereitschaft seines Duzfreunds zu so vielen Konzessionen fast vom Stuhl geworfen.
 
In unzähligen Blogs habe ich das verlogene Verhalten der US-Behörden in Bezug auf das Bankgeheimnis angeprangert und mich darüber gewundert, dass es CH-Politik und CH-Banken nicht wagten, darüber auch nur ein Sterbenswörtchen zu verlieren – immer aus Angst vor wirtschaftlichen Grausamkeiten, welche die (wirtschafts-)kriegerische Nation auf Unbotmässige abschiesst. Zum Glück haben ihr die masslose militärische Aufrüstung und die ständigen Angriffskriege selber das finanzielle Genick gebrochen. Das zwingt sie, sich mehr auf das eigene, heruntergekommene, in Armut versinkende Land zu konzentrieren.
 
Inzwischen scheint es endlich in ersten Ansätzen salonfähig zu werden, das Drecksspiel der US-Justiz im Zusammenhang mit dem Bankgeheimnis zu erwähnen. Besonders mutig spricht immer wieder Nationalrat Alfred Heer, Präsident der Schweizerischen Volkspartei (SVP) des Kantons Zürich. Ich schätze seine Auftritte, seine messerscharfe Logik, seine kristallklare Ausdrucksweise und starke, unbeugsame Haltung. Solche Politiker braucht das Land. Bei seinem Auftritt in der Satire-Sendung Giacobbo/Müller von SF1 rief er am 12.02.2012 wie schon früher in einer TV-„Arena“ das Steuerparadies USA in Erinnerung, um das die „Qualitätsmedien“ im Allgemeinen grosse Bögen machen. Viktor Giacobbo, der rechtslastigem Gedankengut immer wieder Platz einräumt, tat alles, um die Schweiz doch noch ein wenig herunterzumachen, wie es sich für die Kulturszene und dem Grossteil der Medienschaffen nun einmal gehört, abgesehen von wenigen Ausnahmen. Ob Heer nicht doch auch zugeben müsse, dass die Schweiz vielleicht halt doch, wenn auch nur ganz klitzekleine, minime Fehlerchen gemacht haben könnte, bettelte er aus der Ecke, in die er von seinem Gesprächspartner gedrängt wurde. Heer war nicht verlegen: Wir alle machen Fehler, auch die Banken, sagte er. Aber als Schweizer erachte er es als seine Pflicht, die Schweiz zu verteidigen, zur Schweiz zu stehen und sie nicht den Feinden auszuliefern. Ich zitierte dies aus dem Gedächtnis, sinngemäss.
 
Genau hier liegt das Kernproblem: Dass sich selbst Bundesräte, Politiker, Schriftsteller und auch Medienschaffende aufgerufen fühlen, die traditionellen Werte ihres eigenen Landes unaufhörlich gegen innen und aussen ständig in ein schlechtes Licht zu stellen, ist mir unerklärlich. Selbstredend soll und muss man unhaltbare Zustände wie zum Beispiel das seit der Leitung von Eveline Widmer-Schlumpf verluderte, ausser Kontrolle geratene Asylwesen kritisieren, um bessere Verhältnisse herbeizuführen. Selbstverständlich muss man anprangern, wenn Politiker das eigene Interesse an der Wiederwahl durch populäre Massnahmen über das längerfristige Wohlergehen des Landes stellen, wie das etwa Bundesrätin Doris Leuthard im Blindflug mit ihrem planlosen KKW-Ausstieg tat, um Wahlprofit für sie und die CVP aus der damaligen, medial aufgeheizten Stimmung zu schlagen. Das hat nichts mit staatsmännischem bzw. -fraulichem Format zu tun.
 
Die Schweiz ist nicht schlechter als die scheinheiligen Saubermänner aus den USA. Was insbesondere den US-Datenerpressern aus unserem ständig unter Beschuss stehenden Land einmal nahegelegt werden müsste: Auf dieser Erde gibt es etwa 60 (sechzig) Steueroasen; die dichtesten davon sind in den USA (Delaware, Wyoming, Florida, Nevada) und Grossbritannien und dessen Protektoraten. In einem „Tages-Anzeiger“-Interview sagte der britische Journalist und Autor Nicholas Shaxson am 11.02.2012: „Was durchlaufende schmutzige Gelder betrifft, liegen die USA vorn. Und politisch ist bei Schwarzgeld London führend.“ Heuchelei sei im Fall der USA, dass sie nur die Schweiz angreifen. Sie ist ein einfaches Ziel: isoliert, klein, ohne reelle Chance. Während vor der Küste der USA die Steuervermeidungs-Inselgruppen der Briten liegen. Dort anzugreifen, bräuchte Mut, sagte Shaxson – geschweige denn ein Angriff auf die Wallstreet.
 
Dem ist noch beizufügen, dass auch in Singapur ein Bankgeheimnis gilt, das dichter ist als jenes der Schweiz, ein paar Steuerabkommen hin oder her. Die USA unternehmen dort nichts, weil Singapur die Funktion eines politischen, wirtschaftlichen und militärischen Stützpunkts der USA innehat. Unter solchen Umständen werden alle Augen zugedrückt.
 
Das mehrfach doppelbödige US-Verhalten ist bezeichnend: In einem NZZ-Leserbrief schrieb Nationalrat Christoph Blocher darüber, wie Mexiko seit Jahren erfolglos versucht, die US-Behörden dazu zu bewegen, Informationen zu Vermögen und Transaktionen von mexikanischen Staatsangehörigen, insbesondere bei Verdacht auf Waffen- und Drogenhandel, herauszugeben. Amerika wehrt sich dagegen. Wörtlich schreibt Blocher: „So haben sich Parlamentarier des Staats Florida am 2. März 2011 mit einem Brief an Präsident Obama erfolgreich dagegen zur Wehr gesetzt. Sie machen geltend, eine Änderung der Praxis (...) würde zu einem Abfluss von Kapital an andere Finanzplätze führen. Dadurch gingen Arbeitsplätze und Investitionskapital in den USA verloren. Der Grund, warum Ausländer ihr Vermögen nicht in ihren Heimatstaaten versteuerten, sei, dass deren Regierungen nicht vertrauenswürdig seien. Eine offizielle Deklaration der tatsächlichen Vermögensverhältnisse berge eine Gefahr für die persönliche Sicherheit der Betroffenen. Aufgrund dieser Argumente werden in den USA weiterhin keine Daten zu den von Ausländern deponierten Geldern erfasst. Zinsen auf diesen Guthaben sind steuerfrei, und die Heimatstaaten von diesen Kontoinhabern erhalten auch keine Informationen über die Höhe der ausbezahlten Zinsen.“
 
Blocher fügte bei, bei Verhandlungen mit den USA sollten die Schweizer Politiker wenigstens darüber informiert sein, um den Amerikanern den Spiegel vorhalten zu können. Man sollte seine Informationen nicht nur aus dem beziehen, was Zeitungsredaktionen zur Verbreitung an ihre Klientel freigeben.
 
In unserer Politik herrschen schon merkwürdige Zuständige – mächtige Unterdrücker dürfen sich unwidersprochen jede Gaunerei leisten, und Unterdrückte wagen nicht, aufzumucken. Die Nation, auf Indianer-Abschlachtung und Versklavung der Schwarzen aufgebaut, hat damit und mit all den ständigen Angriffskriegen mit konventionellen und chemischen Waffen (wie mit Dioxin in Vietnam) offenbar so viel Eindruck gemacht, dass man ihr nicht zu widersprechen wagt und lieber kuscht, um die eigene Haut zu retten. Der Sieg der Bösen. Der Schurken.
 
 
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