Textatelier
BLOG vom: 20.04.2012

Allerlei Nachrichten aus England: Die Lektionen gelernt?

Autor: Emil Baschnonga, Aphoristiker und Schriftsteller, London
 
Auslieferung von Terroristen von England nach den USA
Bald ist es so weit: 4 des Terrorismus Angeklagte werden demnächst an die USA ausgeliefert und dort irgendwo in der Wüste in einem feudalen Gefängnis untergebracht, sogar in Einzelzellen. In diesen Einzelräumen, mit fliessendem Wasser fürs „water boarding“ eingerichtet, werden sie 23 Stunden pro Tag verbringen.
 
Einige von ihnen blieben zuvor jahrelang in englischer Haft eingesperrt, worunter der schlimmste Bösewicht, der Islam-Priester Abu Hanza, dessen Hasstiraden und Aufwiegelung zu Terrorakten die ganze englische Nation empört hat, ausser einige seiner Anhänger. Er ist ein englischer Staatsangehöriger. Barbar Ahmad, ebenfalls ein Brite, wird u. a. angeklagt, die Taliban unterstützt zu haben. Der 3. im Bund, Seyla Ashan, britischer Nationalität, war 6 Jahre lang in England eingekerkert, und er soll Terrorakte verübt und Terroristen unterstützt haben. Schliesslich kommt noch Adel Abdul Barry hinzu, der 1998 zusammen mit Osama bin Laden 2 amerikanische Botschaften in Ostafrika angegriffen hat, was 200 Todesopfer forderte. Er verbrachte 13 Jahren in englischer Haft.
 
England hat dem amerikanischen Auslieferungsantrag zugestimmt. Je rascher diese Angeklagten nach den USA abgeschoben werden, desto besser. Das hohe EU-Gericht in Strasbourg hat dabei Schützenhilfe geleistet und dem USA-Antrag wacker zugestimmt. Man muss einsehen, dass die Justizsysteme ausserhalb von Amerika zu nichts taugen. (In diesem Zusammenhang sei erwähnt, dass Frankreich Roman Polanskis Auslieferung an Amerika abgelehnt hat.)
 
Inzwischen weiss die ganze Welt, wie human Amerika mit Gefangenen umgeht und somit die Rolle als Weltjustiz voll und ganz verdient. Die Schweiz wird bald auch weichgeklopft. Die Vorbereitungen dazu sind im vollen Gang: Steuerhinterzieher werden unter die amerikanische Knute genommen – und wohl in absehbarer Zeit ebenfalls nach Amerika ausgeliefert, gleich welcher Nationalität ...
 
Neue Steuerfinten in England
Das britische Budget bietet den Politikern alljährlich Gelegenheiten, auf perfide Art den Steuerdruck zu erhöhen.
 
1. „Granny“-(Grossmutter-)Steuer: Das Pensionsalter für die staatliche Pension wird sukzessive erhöht: von gegenwärtig 65 Jahre für Männer und 60 Jahre für Frauen. Ausserdem ist die staatliche Pension steuerpflichtig, und Zulagen (tax allowances) werden beschnitten. Und je älter sie sind, bis sie in die Pension entlassen werden, desto weniger lang können sie von ihrer Pension zehren. Dabei wird vergessen, dass sie als Arbeitnehmer im Schnitt über rund 40 Jahre für ihre öffentliche Staatspension (via PAYE – ‚pay as you earn’) beigetragen haben. Fazit: Mehr Jahre arbeiten für weniger Rente.
 
2. Kinderzulagen werden für schätzungsweise 190 000 Familien allein in London aufgehoben, nachdem die Einkommensschwelle für Familien mit einem Kind von jährlich £ 40 000 auf £ 26 000 gekürzt wurde. Wie immer ist „the devil in the detail“ (der Teufel steckt in den Details), wenn diese Steuerakrobatik im Paragrafendschungel verschleiert wird. Wie kann eine Familie mit einem Kind von einem Jahreseinkommen von £ 26 000 leben, angesichts der rasant steigenden Lebenskosten, worunter Lebensmittel, Miete oder ‚Council Tax’, Benzinpreise, 2-stellige Preiserhöhungen der öffentlichen Transportmittel, Gas, Elektrizität und Wasser usf.?
 
Viele Familien sind gezwungen, Kurzkredite zu horrendem Zinssatz zur Überbrückung bis zum nächsten Zahltag aufzunehmen.
 
Tausende von Kinder in London hungern … Armut und Arbeitslosigkeit suchen mehr und mehr Familien heim.
 
3. „Pasty“-Steuer: Warme oder aufgewärmte Schnellimbisse wie Pasties und Pouletschenkel, von der Theke im Supermarkt oder in Imbissecken gekauft, sollen ab Oktober 2012 mit einer VAT-Auflage (Value added tax) von 20 % belastet werden. Dieser Vorschlag hat eine Welle von Empörung ausgelöst.
 
4. Der Steueransatz für Superreiche wird ab April 2013 von 50 % auf 45 % gesenkt. Viele unter ihnen bezahlen, dank legaler Schlupflöcher (tax avoidance schemes), keine Steuern. Und wird ein Schlupfloch versiegelt, tut sich ein neues auf …
 
Apropos Demian Hirst Ausstellung
London wartet den Besuchern mit einem Schatz von Kunstwerken u. a. im Victoria and Albert Museum, British Museum und in der National Gallery, auf, verbunden mit vielen Sonderausstellungen durchs ganze Jahr.
 
Gegenwärtig ist Demian Hirst eine Retrospektive im Tate Modern eingeräumt, mit einem Arsenal von 73 Objekten von Machwerken teils widerlichster Art: Ein im Grossaquarium in Formaldehyd eingelegter Hai, ein Massaker von Schmetterlingen mit ihren Flügeln kreuz und quer auf einer Unterlage befestigt.
 
Brian Sewell, ein namhafter und respektierter Kunstkritiker schrieb dazu in seinem 2-seitigen lesenswerten Verriss (am 5. April 2012 im „Evening Standard“ veröffentlicht): „I can sum it up as shiny shit. Put bluntly, this man’s imagination is quite as dead as all the dead creatures here suspended in formaldehyde.” (Sein zweiter Satz nach dem Wort “shit” (Scheisse), sei hier übersetzt: „Brutal gesagt, die Imagination dieses Mannes ist so tot wie die toten Kreaturen, die in Formaldehyd ausgestellt sind. Tierliebhabern und Kunstkennern sei angeraten, diese Ausstellung zu meiden.“
 
Wassernot in England
in Südengland ist es seit Anfang April 2012 verboten, den Gartenschlauch zu benutzen. Die Wasserreservoire sind leer. Inzwischen ist der Aprilregen eingetroffen – ein Tropfen auf dem heissen Stein, da ein Drittel des Wassers durch brüchige Leitungen aus dem Viktorianischen Zeitalter versickert. Statt sein Auto mit dem Schlauch zu reinigen, soll sich der Fahrer im verdreckten Auto als verantwortungsbewusster Bürger erkennen lassen, hat jemand vorgeschlagen.
*
Der Brite auf der Strasse äussert sich allgemein freimütig, was er von der Regierung und ihren Politikern denkt. Studiengruppen von ihnen besuchen regelmässig das gelobte Land USA, denn „lessons must be learnt“ (Lektionen müssen gelernt sein). Sie werden wie ein Mantra wiederholt und am Vorbild von Amerikas geschult. Dazu sind keine Sprachkenntnisse erforderlich. Beispiele aus Holland, Skandinavien, ja auch aus der Schweiz, werden tunlichst gemieden, denn sie könnten dabei wirklich etwas lernen.
 
Ich mag die Briten sehr und wünschte, sie hätten gewiegte Politiker im Rücken, die sie respektieren können. Ich verstehe, weshalb sie dem Massensport, der anstehenden Olympiade und dem Pomp des Königshauses huldigen. Sonst würden sie auf die Barrikaden steigen. Ich hoffe ganz besonders, dass diese Anlässe von Terrorakten und Krawallen aller Art verschont bleiben.
 
Ich will meinen kritischen Essay mit einem Buchhinweis beschliessen, der dem Besucher von London viele versteckte Sehenswürdigkeiten aufdeckt, betitelt: „I never knew that about London“ von Christopher Winn verfasst und mit vielen Illustrationen von Mai Osawa bereichert. Dieses Werk wurde von der Ebury Press in 2007 veröffentlicht.
 
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