Textatelier
BLOG vom: 05.05.2012

Baden-Württemberg ist 60: Witze, nicht nur fein ironisch

Autor: Heinz Scholz, Wissenschaftspublizist, Schopfheim D
 
Am 25.04.1952 wurde die Vereinigung von Baden, Württemberg-Baden und Württemberg-Hohenzollern zum Südweststaat beschlossen (1953 bekam das „Kind“ einen Namen: Baden-Württemberg = BW).Viele sprachen damals von einer Zwangs- oder Vernunftehe, wohl kaum von einer Liebesheirat. Fast 70  % der Bewohner im Südwesten befürworteten in einer Volksabstimmung den Zusammenschluss, der sich später als vortrefflich erweisen sollte (BW entwickelte sich zu einem „Musterländle“). 1970 klagte Baden gegen das Neugliederungsgesetz, und es kam zu einer erneuten Volksabstimmung in den Regierungsbezirken Nordbaden und Südbaden. 81,9 % stimmten für den Zusammenschluss.
 
 „Unser Land funktioniert als Gesamtheit“, verkündete stolz der 1. „Grüne“ Ministerpräsident des Landes Baden-Württemberg, Winfried Kretschmann, in einem Artikel in der „Badischen Zeitung“ am 21.04.2012.
 
Es gibt jedoch viele Klischees. So wird immer wieder die Frage gestellt, ob die schwäbische oder die badische Küche die bessere ist oder ob der badische Wein besser ist als der Württemberger. Es gibt viele Unterschiede und Gemeinsamkeiten.
 
Lieben uns die Nachbarn?
Bayern: Die Nachbarn in Bayern orientieren sich nach der Devise „Leben und leben lassen“. Leben doch in Bayern ein Teil des Volksstammes der Schwaben (Bayrisch-Schwaben). Mirko Weber aus München schrieb: „Es hat Baden-Württemberg nicht geschadet, dass  die Bayern öfter einem Gedanken oder Plan aus dem Nachbarland zum Durchbruch verholfen haben.“ Er zitierte auch die nahezu symbiotische Verbindung zweier Landsmannschaften in der Person des Präsidenten von Bayern München, Uli Hoeness, der in Ulm geboren wurde (also in BW) und in Bayern mit „viel Fleiss, Geiz und einer brutal schwäbischen Gosch“ sein Zepter schwingt. Er ist aktuell Präsident beim FC Bayern München und Wurstfabrikant.
 
Elsass: Die Elsässer bezeichnen die Bewohner des Nachbarlands als „Brüder mit anderen Vorlieben“. BW ist in ihren Augen ein Schlaraffenland. Bärbel Nickles aus Strassburg bringt die Aussage einer Kabarettistin zu den kulinarischen Dingen und bemerkt, dass es sich rechts und links des Rheins gut leben lässt. Die elsässische Kabarettistin und Autorin Huguette Dreikaus schwärmt und kalauert von der Grosszügigkeit der süddeutschen Küche und zielt dabei nicht nur auf die Grösse der Portionen ab: „Kennen Sie den Unterschied zwischen einem Schnitzel und einem escaloppe? – 10 Euro und 10 Quadratzentimeter.“
 
Die Baden-Württemberger sind ein bisschen wie Brüder, so Dreikaus und bemerkte: „Wir sind im gleichen Haus aufgewachsen. Andere Vorlieben dürfen wir trotzdem haben. Selbst Kriege haben der Liebe nichts entgegenzusetzen vermocht, und heute sind die Grenzen nahezu gänzlich verschwunden.“
 
Schweiz: Roger Ehret aus Basel äusserte sich zum Thema „Lieben uns die Nachbarn?“ wie folgt: Die Schweizer bezeichnen die 80 Millionen Deutschen als „Schwoobe“, „wenn sie langsam und suchend durch unsere Städte fahren, unsere Luftfreiheit einschränken. CDs mit Bankdaten kaufen oder eine Strafanzeige gegen unsere Justizministerin erstatten, sogar als ,Sauschwoobe`.“
 
Die „liebevolle“ Bezeichnung durch die Schweizer war mir bekannt. Zur Aufklärung sei bemerkt, dass die Volksgruppe der Schwaben (altdeutsch Suaben) heute in den Ländern Baden-Württemberg (insbesondere im Regierungsbezirk Stuttgart und im Regierungsbezirk Tübingen) und Bayern (dort im Regierungsbezirk Schwaben lebt. Ingesamt leben dort 8 Millionen Schwaben. Oft wird die Volksgruppe mit den Alemannen gleichgesetzt und als Untergruppe bezeichnet (ausführliche Infos unter http://de.wikipedia.org/wiki/Schwaben).
 
Zurück zu den „Schwooben“. Roger Ehret: „Das klingt in manchen schwäbischen Ohren hart und in nichtschwäbischen Ohren noch härter und in badischen bekanntlich sogar sauhart. Das kann ich als Basler Nachbar gut verstehen.“
 
Roger Ehret fragt sich: „Wo stünde die Schweiz, wenn wir uns feingeistig-differenziert und mit Brieföffnern bewaffnet durch unser Geschichte gekämpft hätten und nicht mit Hellebarden und Morgensternen? Auf der Landkarte vermutlich nicht mehr.“
 
Nun, die Deutschen hielten sich auch nicht gerade zurück, als sie die Nachbarn als „Kuhschweizer“ bezeichneten. Aus dieser Zeit stammt sogar die Behauptung, die Eidgenossen würden es mit den Kühen treiben. Das war natürlich eine grosse Beleidigung. Dann kam eben die Rache der Eidgenossen: Sie riefen über den Rhein: „Sauschwoobe“.
 
Vor 500 Jahren gab es noch ein 2. Schimpfwort für die Eidgenossen. Sie wurden als „Türken“ bezeichnet. Das galt damals als noch schlimmer. Auch ein 3. Schimpfwort grassierte seit dem 15. Jahrhundert, nämlich „Schwizer“. Später hefteten sich die schlauen und freiheitsliebenden Schweizer Kuhschwänze an ihre Hellebarden und nannten sich fortan Schwizer.
 
„Und wer hat´s erfunden? Nicht die Schweizer, sondern die Schwaben. Darum danke ich im Namen der Eidgenossenschaft den Schwaben für ihre grossartige Markenbezeichnung und das Selbstbewusstsein, das daraus erwuchs.“ Roger Ehret empfiehlt den Badenern auch ein Stigma-Management zu betreiben und das Schimpfwort „Schwoobe“ zu lieben und sich selbst so zu nennen. Rogert Ehret: „Vielleicht wird daraus ja nicht bloss eine grossartige Erfolgsgeschichte, sondern – nach ihren 60 Jahren Vernunftehe – auch der Beginn einer wunderbaren Freundschaft!“
 
Winfried Kretschmann, der Anfang Mai 2012 einen Staatsbesuch in der Schweiz absolvierte, sagte, dass die Beziehungen von BW zur Schweiz intensiv, freundschaftlich und „von überragender Bedeutung“ für beide Länder seien.
 
Gegenseitige Liebe Deutschland – Schweiz
Von unseren Freunden in der Schweiz kommen immer wieder Sympathieäusserungen über die Grenze. Es tut gut, wenn man positive Reaktionen, wie diese von Walter Hess, zu lesen bekommt. Ich habe ihn nämlich zu einem Leserbrief an die „Badische Zeitung“ animiert. Ich wollte seine Meinung zu einer Äusserung von Natalie Rickli, die behauptet hatte, dass zu viele Deutsche im Land seien.
 
„Als Schweizer staune ich immer wieder, wie viel Sympathie uns vonseiten der deutschen Bevölkerung, auch von den dortigen Medien und sogar vom Finanzminister Wolfgang Schäuble, entgegenbrandet. Das ist die Folge einer Symbiose und keines gegenseitigen Abhängigkeitsverhältnisses. Es ist schön, wenn wir gegenseitig voneinander in vielfältiger Art profitieren können. Gute Nachbarn sind ein unschätzbarer Wert. Die Aussage der Schweizer Nationalrätin Natalie Rickli, wonach wir zu viele Deutsche im Land hätten, hat mich in dieser reduzierten Fassung deshalb ebenfalls gestört, auch wenn Frau Rickli im Allgemeinen eine korrekte, staatstragende Rolle spielt.
 
Erstens habe ich Verständnis dafür, dass bei den hohen landesinternen Steuerbelastungen der Deutschen (für einseitige, endlose, geschäftlich motivierte Kriegswiedergutmachungen, die Beteiligung an US-Kriegen und die Finanzierung des Euro-Nonsenses) Fluchtgedanken entstehen. Aber das geht uns Schweizer nichts an; wir haben nicht befreundete Länder zu kritisieren (ich wollte nur meine persönliche Sicht der Dinge begründen). Wir in der Schweiz profitieren sehr von den oft (meist) hervorragend ausgebildeten, arbeitsamen und anpassungswilligen Deutschen, die unsere Wirtschaft beflügeln. Das hätte die schöne Frau Rickli sofort relativierend anfügen müssen.
 
In meinem gesamten Umfeld höre ich nie Verunglimpfungen oder Kritik an der deutschen Bevölkerung; nur die deutsche Politik stösst gelegentlich auf Unverständnis (wie unsere eigene schweizerische übrigens auch). Bitte betrachten Sie Frau Ricklis Aussage, ein Ausdruck der Meinungsfreiheit, nicht als Volksmeinung, sondern als deren rein persönliche Sicht. Bleiben Sie uns gewogen. Umgekehrt haben Sie unsere Sympathie nach wie vor auf jeden Fall.“
 
Persönlich finde ich die gegenseitigen Neckereien nicht so schlimm. Wichtig ist, dass man ein gutes Verhältnis mit den Nachbarn aufbaut. Das bewiesen auch die Bayern mit ihren „heissgeliebten“ Preussen. Sie bezeichneten diese als „Saupreissn“ und haben sich mit diesen „Fremden“ arrangiert und freuen sich heute auf die Touristen aus dem Norden.
 
Im Gegenzug wurden die Bayern nicht nur von den Preussen, sondern auch von uns schon mal als „Saubayern“ bezeichnet. So höre ich immer dieses Wort über den FC Bayern München, der oft viel Glück beim Fussballspielen hatte und auch die besten Spieler von anderen Vereinen kaufte. Oft schlägt die Bewunderung in Hass über. Dann verschaffen sich bestimmte Fans mit Worten Luft.
 
Witze über Schwaben und Badener
Der Tübinger Kulturwissenschaftler Hermann Bausinger äusserte sich in der Zeitung „Der Sonntag“ vom 22.04.2012 in einem Interview über badische und Schwabenwitze und deren Wurzeln. Er betonte, dass es eine ganze Skala vom plump-aggressiven Witz bis zur ironischen Erzählung gibt. So werden die Badener immer grosszügig und die Schwaben als geizig dargestellt. Die Schwaben sind teilweise sogar stolz auf ihren Geiz. Sie tragen eine gewisse Selbstironie zur Schau.
 
Werden Sie beispielsweise bei einer schwäbischen Familie eingeladen, dann kommt die Einladungsformel zur Anwendung: „Kommsch nach´m Kaffee, damit´vorm Vesper wieder dahoim bisch.“
 
Es kursieren mehr schwäbische als badische Witze. Es gab auch in der Vergangenheit Frotzeleien. So verfasste ein badischer Schulmeister das folgende Gedicht:
 
„Ein Wetter steht grad über der Erd’,/Wenn´s nur ins Württembergische fährt!/ Denn tut es sich bei uns entladen./ So haben wir den Hagelschaden.“
 
Klaus Stuttmann, der neben Horst Haitzinger immer wieder in diversen Zeitungen seine herrlichen Karikaturen präsentiert, nahm auch die Harmonie im vereinigten Bundesland BW auf die Schippe. Unter einer Zeichnung schreien sich ein Badener und ein Schwabe an, es fliegen ein Messer, ein Totenkopf und ein Beil durch die Luft. Der Badener schreit „Schwobeseckel“, und der Schwabe ruft erzürnt „Badänser“. Darunter schrieb der Karikaturist: „Auch schon lange friedlich vereint…“
 
Kleine Witzesammlung
Ein Schwabe fällt vom Dach. Er fliegt am Küchenfenster vorbei und ruft seiner Angetrauten zu: „Marie, heut’ kannst Du das Mittagessen sparen, ich bin heute im Marienhospital“(„Marie, heut kannsch`s Mittagessa schbara, i ess heut im Mariehoschbidal.“)
 
2 Bergsteiger sind in eine Gletscherspalte gefallen. Sie blieben unverletzt. Als die Bergwacht eintrifft und einer hinunterruft: „Hier ist das Rote Kreuz“ schallt von unten herauf: „Mir geben nichts.“ (Mr gebet nix“).
 
2 Witze, die ich unter „Glanzpunkte“ erwähnte, möchte ich hier wiedergeben, da ich diese ganz originell und echt witzig finde.
 
2 Schwaben fuhren mit dem Ballon über ihr schönes Ländchen. Plötzlich wurde die Freude erheblich gedämpft, als Nebel aufkam und ihren Blick trübte. Sie wussten nicht, wo sie waren. Als der Nebel verflog, gingen sie tiefer und riefen einer Gruppe Arbeiter zu: „Hallo! Wo sind wir?“ Keine Antwort. Die Ballonfahrer meinten, sie seien sicherlich schon über Frankreich und keiner verstünde sie. Als sie nach einigen Stunden Irrfahrt einen Bauer auf seinem Acker gewahrten, riefen die beiden wieder: „Hallo! Wo sind wir?“ Die Antwort des Bauern liess nicht lange auf sich warten. Er rief: „Ihr Saudackel, natürlich im Ballon!“ Da wussten sie, wo sie waren, nämlich im geliebten Schwobeländle.
 
Ein Badener springt mit dem Fallschirm ab. Der Fallschirm öffnet sich nicht. Der Springer saust der Erde entgegen, der Wind pfeift ihm um die Ohren. Plötzlich, so scheint es, naht Rettung. Es kommt ihm von unten ein Mann mit einem Schraubenzieher entgegen. „Können Sie Fallschirme reparieren?“ meint der nach unten Fliegende. „Nein, ich repariere Gaskessel.“
 
Wer noch nicht genug hat, der kann unter www.jochen-birk.de/schwabenwitze.htm etliche Witze über die Schwaben finden.
 
Hier einige in Auszügen. Bekanntlich sind die Schwaben sehr arbeitsam und fleissig („Schaffe, schaffe, Häusle bauen“ ist so ein Spruch). Man fragt sich, welches das schönste Kompliment ist, das man einer schwäbischen Frau machen kann. Antwort: „Ha, du siehsch aber abgeschafft aus!“
 
Bei dieser Gelegenheit fällt mir eine Schilderung ein, die mir ein Verleger aus einer Gemeinde in der Nähe von Stuttgart erzählte. Wenn eine Frau aus einem Ort einmal zum Kaffeetrinken gehen möchte, sucht sie nicht das Café im Ort auf, sondern geht in die Nachbarstadt, um nicht von Einheimischen gesehen zu werden. „Die denken sonst, ich habe nichts zu tun und faulenze.“ So sind die fleissigen Schwaben. Natürlich nicht alle.
 
Wie heisst der Orgasmus im Schwäbischen?“ Antwort: „Sodele.“ (Sodele, wir haben es geschafft!)
 
Was ist ein Perpetuum mobile? Das ist ein Schotte, der einem Schwaben hinterherrennt, der ihm 10 Cent schuldet.
 
Wie wurde der Kupferdraht erfunden? Da haben sich 2 Schwaben gleichzeitig nach einem Pfennig gebückt.
 
Was sagt ein Schwabe, wenn ihn seine Frau im schwarzen Negligé überrascht. Nicht, was sie denken! Der Schwabe erschrickt und ruft aus: „Um Gottes Willen, ist was mit der Oma?“ („Um Gottes Willa, isch ebbes mit dr Oma?“)
 
Die Witze sollte man nicht so ernst nehmen. Es zeugt von Selbstbewusstsein, wenn man über solche Erzählungen lacht, auch wenn man selbst betroffen ist. Es gibt in jedem Volk, seien es Schweizer, Franzosen oder Österreicher, nicht nur Miesepeter, Sauschwooben, Saupreissn, sondern auch viele intelligente und freundliche Leute.
 
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