Textatelier
BLOG vom: 23.03.2013

Panoramaweg: Alemannen, Naturdenkmal und ein Klebstein

 
Autor: Heinz Scholz, Wissenschaftspublizist, Schopfheim D
 
Im späten Winter sind die Berge, Hügel und das Wetter nicht immer himmlisch wie ihr Name, aber für Exkursionen durchaus geeignet, wie an einem Beispiel aufgezeigt werden soll:
 
Unsere Wanderung begann am 14.03.2013 auf dem Parkplatz St. Johannis-Breite unweit von Kandern D. Kaum waren wir 4 wetterfesten Rentner aus dem Auto ausgestiegen, wurden wir von einem eisigen Wind überrascht, der uns gehörig um die Ohren wehte. Dick eingepackt und mit Mützen versehen, wanderten wir auf dem Panoramaweg oberhalb der Erholungsorte Ober- und Untereggenen, teilweise unbefestigten Gras- und Erdpfaden. Der Boden war noch etwas gefroren, an anderen Stellen war er schon aufgetaut. An einer Stelle trat ich in ein Matschloch. Die Schuhe waren verdreckt, die Socken blieben trocken, die Wanderlust war ungebrochen.
 
Von hier oben bot sich uns ein schöner Ausblick auf das reizvolle Eggenertal mit den typisch Markgräfler Dörfern Obereggenen und Untereggenen (www.eggenertal.de). Diese Orte gehören übrigens zum Wein- und Ferienort Schliengen.
 
Der Gipfel des Hochblauen (1165 m ü. NN) war wolkenverhangen. Er zeigte sich erst später auf der Heimfahrt in weisser Pracht. Ab einer gewissen Höhe waren nämlich alle Bäume vereist oder mit Schnee bedeckt, während wir unten im Tal nur kleine Schneereste sahen. Ein kontrastvoller und schöner Anblick.
 
Die Kirschbäume, die hier im Frühjahr ihre Blütenpracht entfalten, zeigten einen kahlen und tristen Anblick. Keine Knospe war zu sehen. Aber bald, so hoffen wir, wird der Frühling einziehen und die Bäume zum Blühen bringen. Dann können die Bewohner und Gäste das Kirchblütenfest am Waldparkplatz Stelli feiern.
 
Bald liess der Wind nach und einige Sonnenstrahlen erwärmten uns. Ein Wanderfreund meinte, er müsse jetzt seine Mütze abnehmen, da er sonst heisse Ohren bekäme.
 
Als erster Höhepunkt der Wanderung war das Naturdenkmal Hagschutz geplant, das wir diesmal wegen des Matschweges nicht aufsuchten. Der Hagschutz ist ein markanter Bergrücken. Er war ein jungsteinzeitliches Siedlungsgebiet.
 
Die Alemannen
Dann wanderten wir auf befestigten Wegen an Stelli vorbei und erreichten einen Rebberg oberhalb von Feuerbach. Hier waren schon etliche Winzer beim Rebenschnitt. Anschliessend ging es weiter bergauf, und wir kamen zu einer Tafel mit Infos zu den Alemannen (auch als Alamannen bezeichnet). Berichtet wurde über den Fund eines Alemannenkriegers in der Nähe von Feuerbach. Der Krieger hatte eine Hand über dem Becken liegen und war mit Pfeil und Bogen bewaffnet. Er war wohl bei einem Jagdunfall verunglückt. Auch wurden Scherben aus der Urnenfelderzeit 1000 bis 700 v. u. Z., aber auch bearbeitete Feuersteinstücke und römische Ziegel entdeckt.
 
Die Alemannen (Mischung aus germanischen Stämmen), die vom 3. Jahrhundert bis um die Mitte des 8. Jahrhunderts hier lebten, prägten sowohl politisch als auch kulturell unsere Region entscheidend. „Im Jahre 746 wurde die Macht der alemannischen Herzöge durch die fränkischen Herrscher endgültig gebrochen und die alemannische Epoche damit beendet“, wie Dieter Planck in dem Werk „Die Alamannen“ betonte.
 
Auf der Tafel wurden Schulkinder zitiert, die in der Schulzeit das eine oder andere alemannische Gedicht oder Lied erlernen mussten. So kamen die Schüler zu der Ansicht, dass man stolz annehmen könne, dass ihre Wurzeln in der Alemannenzeit lägen. Resümee der Schüler: „Also gibt es uns doch immer noch? So können wir sagen: Mir sin no do.“
 
Auf der Tafel konnte ich das Gedicht „Zuem Alemanische“ von Liesel Meier (Breiti-Lieseli von St. Johannis Breite) mit Vergnügen lesen. Hier ist es: 
Alle Lüt gfallts halt nit,
doch sag was de witt,
es isch unsi Sproch,
s isch im Herz ganz, ganz noch.
 
Alemannisch isch guet,
Alemannisch het Reiz,
nit jede wo schnell schwätzt
sait öbis Gscheits.
 
Mir Alemanne sin uralt,
liis d Geschicht dno würds der heiss und chalt,
zweitussig Johr, - villicht no meh
hets näume unseri Volkstämm geh. 
Ernährung der Alemannen
Von besonderem Interesse waren für mich die Angaben auf der Infotafel zur Ernährung der Alemannen. Diese lebten vom Anbau von Gerste, Einkorn, Emmer, Hafer, Nacktweizen, Dinkel und Roggen, Linsen, Erbsen und Lein für die Faser- und Ölgewinnung. Der karge Speisezettel wurde durch Schlehen, Haselnüsse und Wildobst aufgewertet. Für die Herstellung des Ur-Biers wurde Hopfen angebaut. Es gab jedoch nicht nur Bierliebhaber, sondern auch solche, die den Honigwein Met tranken.
 
Fleisch gab es selten; dafür wurde morgens und abends ein Getreidebrei serviert. Leichtes Schaudern überkam mich und einige meiner Kollegen, als ich ihnen diese Passage über den ständig wiederkehrenden Brei vorlas, mit dem Hinweis, was sie wohl sagen würden, wenn ihnen solch eine Monotonie vorgesetzt würde. Nur ein einziges Mal konnten wir in der „Sonne“ in Riedichen eine Haferflockensuppe verspeisen. Ein Getreidebrei war nirgends auf den Speiskarten unserer Wirtschaften auszumachen. Meine Freunde und auch ich dachten in diesem Augenblick an die zu erwartenden köstlichen Vesperspeisen bei der Schlusseinkehr in Mauchen.
 
Zu bemerken wäre noch, dass auch Koriander, Dill, Runkelrübe/Mangold, Bohnenkraut, Petersilie und Kohl angebaut wurden. Reste dieser Pflanzen wurden im Grab 27 (dendrochronologisch auf das Jahr 703 datiert!) in Lauchheim nachgewiesen. Kultursorten der Kirsche, Pflaume, Kornellkirsche und Feige waren in dieser Zeit ebenfalls schon bekannt. Die Forscher kamen auf diese Pflanzen als sie verkohlte und unverkohlte Pflanzenteile, die hauptsächlich in Unrat und Abfällen vorhanden waren, untersuchten. Auch die Pollenanalyse half den Wissenschaftlern, Pflanzen zu identifizieren.
 
Tuffschlote und Klebsteine
Nach diesen interessanten Informationen über die Alemannen ging es weiter. Der nächste Höhepunkt war bald erreicht. Wir kamen an eine weitere Tafel mit Infos zum Vulkanismus in der Umgebung von Feuerbach.
 
Von 1953 bis 1957 entdeckte man bei Flurbereinigungsarbeiten vulkanischen Tuff. Die Einheimischen nannten den Tuff „Ölkuchen“. Bei einer weiteren Untersuchung fand man einen grösseren und kleineren Tuffschlot. Diese Tuffschlote bildeten sich vor etwa 10 Millionen Jahren. Überreste von einstigen Vulkanen sind beispielsweise auch am Kaiserstuhl und im Hegau zu finden. Bei Neuanpflanzungen im Weinberg werden immer wieder vulkanische Gesteine wie roter und grauer Tuff basaltischen Ursprungs entdeckt.
 
An der Infotafel befand sich darunter einen Kasten mit einem Loch. Darin konnte man einen sogenannten „Chlebstei“ (Klebstein) herausfingern. Im trockenen Zustand bleibt der Stein an Zunge und Lippe hängen. Das probierten Toni und ich mit Erfolg aus.
 
An der Tafel waren auch 26 Versteinerungen, die um Feuerbach aufgefunden wurden, angebracht. Es waren ein Belemnit (erhalten gebliebener Hartteil eines Tintenfischskeletts), Ammoniten (ausgestorbene Gruppe von Kopffüsslern) und Muschelteile. Sie stammen aus dem Zeitalter des Jura vor 150 Millionen Jahren. Solche Versteinerungen wurden früher häufig in Weinbergen gefunden. Kinder, die auf die Suche gingen, wurden fast immer fündig. „Den besten Fund“, berichtete ein Kind, „hatte unser Vater zu verzeichnen, er fand 2 riesige Ammoniten mit einem Durchmesser von 40 bis 50 cm, leider wurden sie über Nacht von einem leidenschaftlichen Sammler entwendet.“
 
Nach dieser Betrachtung ging es weiter durch ein Waldgebiet. Wir erreichten nach etwa 2 ½-stündiger Wanderzeit wieder unseren Ausgangspunkt St. Johannes-Breite. Als die Sonne hinter einer dicken Wolke zum Vorschein kam und etwas Wärme verbreitete, setzten wir uns kurz auf eine Bank. Wir genossen den schönen Blick auf den Hochblauen, zum Schloss Bürgeln und auf die Ruine Sausenburg. In der Nähe der Bank entdeckte ich an einer sonnigen Stelle einen Frühblüher, das Lungenkraut.
 
Wir fuhren dann nach Niedereggenen und wollten dort die romanische Kirche mit den beachtenswerten Wandmalereien im Chor besichtigen. Die Wandmalereien wurden 1556 übertüncht und 1903 wieder freigelegt. Aber leider war der Eingang verschlossen. Pech gehabt. Bei unserem letzten Besuch im Eggenertal war es genauso (siehe Blog vom 05.05.2011: Im Eggenertal: Steinenkreuzle, Betteleiche und Dichterwegli). Für diese Kirche gibt es übrigens einen 1429 verfassten Ablassbrief von Papst Martin V.
 
Im „Gasthaus zur Krone“
Die Schlusseinkehr fand im „Gasthaus zur Krone“ im Weinort Mauchen statt. Wanderführer Toni hatte uns schon vorher erzählt, dass es hier viele Klassiker der badische Küche zu einem erstaunlich günstigen Preis gibt. Hier kommen nur frische und regionale Produkte auf den Tisch (http://krone-mauchen.de).
 
Jeder von uns 4 hungrigen Wanderern wählte eine andere Köstlichkeit aus: Wurstsalat (7 Euro) mit Brägele (Bratkartoffeln), gemischter Salatteller mit Ziegenkäse, im Sonnenblumenkernmantel gebraten (10,90 Euro), Wildschweinragout an Wacholderrahm mit Apfelrotkohl und Eierspätzle (12,90 Euro), und ich verspeiste Frikadellen, Blattsalat und Kartoffelsalat (9,90 Euro). Alle Speisen schmeckten hervorragend. Der Mauchener Wein (Gutedel, Spätburgunder) mundete allen.
 
In der Wirtschaft hatten wir noch eine lustige Begebenheit. Wir sassen an einem rechteckigen Eichenholztisch. Über dem Tisch hingen 2 Leuchten, die man herunter- und hochziehen konnte. Da die eine Lampe unseren Wanderführer blendete, zog er die Lampe weiter nach unten. Aber die Blendwirkung war immer noch vorhanden. Was tun? Nun, wir suchten verzweifelt nach einem Lichtschalter, fanden aber keinen. Wir trugen unser Problem der Kellnerin vor und erwarteten einen schnellen Gang zu irgendeinem Schalter. Sie hatte jedoch eine blitzschnelle Lösung parat. Sie griff mit einer Hand in den Lampenschirm und schraubte die Energiesparlampe locker. Aus war es mit dem Licht, und Toni hatte keine Blendbelästigungen mehr.
 
Fazit: Es war für uns Power-Senioren wieder eine schöne Tour mit interessanten Eindrücken. Die Schlusseinkehr war wieder Spitze. Unser Dank gilt unserem Wanderführer, der viele Wandertouren und auch Wirtschaften in der Region kennt.
 
Anhang
Spruch von Johann Peter Hebel
Auf dem Weg von Auggen bzw. Hurrberg kommt man am östlichen Fuss des Himmelbergs an einem Stein vorbei, in den ein schöner Vers von Johann Peter Hebel eingraviert wurde (diesen Stein sahen wir schon bei einer früheren Wanderung): 
Wie weit ist es nach Jerusalem?
Siebenhundert Stunden,
oder auf dem Fußweg nach Mauchen
ist es eine Viertelstunde näher.
 
Das ist natürlich nur die Kurzform. Auf der Hompage der „Krone“ ist die ganze kleine Geschichte zu lesen:
 
„Vor einigen Jahren zog ein Müssiggänger durch das Land, der sich für einen frommen Pilgrim ausgab, gab vor, er komme von Paderborn und laufe geraden Wegs zum Heiligen Grab nach Jerusalem, fragte schon in Müllheim ab der Post: Wie weit ist es noch nach Jerusalem? Und wenn man ihm sagte: Siebenhundert Stunden; aber auf dem Fußweg über Mauchen ist es eine Viertelstunde näher, so ging er, um auf dem langen Weg eine Viertelstunde zu ersparen, über Mauchen.”
 
Literatur
„Die Alamannen“, herausgegeben vom Archäologischen Landesmuseum Baden-Württemberg, Theiss Verlag, Stuttgart 1997.
Philipp, D., Grosspietsch J., Herberer, A., Rubsamen, R.: „Kunst, Thermen, Wein“ (Entdeckungsreisen durch das Markgräflerland), Kunstverlag Josef Fink, Lindenberg i. Allgäu 2009. 
 
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