Textatelier
BLOG vom: 07.03.2014

Kulturelles (1): Bad im Weinfass und Wellenbad-Schaukel

Autor: Heinz Scholz, Wissenschaftspublizist, Schopfheim D
 
War es die Lust nach einem Bad im Weinfass? Toni von Lörrach, der immer wieder attraktive Wanderungen und Ausflüge ausdenkt, hatte unlängst diese grandiose Idee. Er schlug vor, an einem Regentag das Oberrheinische Bäder- und Heimatmuseum in Bad Bellingen D und die Abteikirche in Ottmarsheim (Elsass) zu besuchen. Am 26.02.2014 fuhren wir zunächst nach Bamlach. Diese Ortschaft gehört zusammen mit Rheinweiler und Hertingen zur Gemeinde Bad Bellingen (Landkreis Lörrach D). Die 2 Museen befinden sich in einem schönen Staffelhaus (Baujahr: 1602) im Ortsteil Bamlach.
 
Zunächst orientierte ich mich über die jüngste, kuriose Badgeschichte von Bad Bellingen. Auf alten SW-Fotos im Museum sieht man die ersten Badegäste in einem Holzzuber sitzen. Das Thermalwasser strömte aus einem dicken Rohr in die „Behelfsbadewanne“. Den Badenden scheint es richtig Spass gemacht haben, denn sie grinsten um die Wette. Aber lassen wir kurz die damaligen Ereignisse Revue passieren:
 
Bad im Weinfass
„Deutschlands jüngstes, kleinstes und ulkigstes Thermalbad liegt in der armen Schwarzwaldgemeinde Bellingen“, berichtete „Der Stern“ in seiner Ausgabe vom 13.12.1958. Der Aufstieg zum Bad begann so: 1955 bohrte eine Firma nach Öl. Aber es kam kein Öl durch das Bohrloch, sondern nur heisses Wasser. Schliesslich gaben die Arbeiter auf, stellten die Bohrungen ein und betonierten das Loch zu. Die Bellinger liessen das Wasser untersuchen. Was da aus der Erde gekommen war, war ein Wasser mit einem hohen Gehalt an Natrium, Kalzium und Chlorid, und es „war unglaublich heilkräftig“. Die Thermalquelle wurde am 28. November 1956 erschlossen, und am 30. Juni 1957 erfolgte die Einweihung des Bads. Teure Kureinrichtungen standen zu jener Zeit noch nicht zur Verfügung. Wasser floss aus einem dicken Rohr in einen 2-Mann-Bottich, dann folgte ein zur Hälfte aufgeschnittenes Weinfass. 3, 4 oder 5 Männlein oder Weiblein tummelten sich dann in diesem „Luxusbad“ in freier Natur. Dieses Weinfass konnten wir im Museum in Augenschein nehmen.
 
Zurück zum Museum. Im Kellergeschoss (früher Weinkeller) sind Eichenfässer, diverse Gegenstände aus der 1. Hälfte des 20. Jahrhunderts, Schwefler und Spritzen für die Schädlingsbekämpfung und auch die Schmiede von Johann Georg Berger (1855−1930) untergebracht. Die Schmiede war fast 100 Jahre in Hertingen in Betrieb. Um sie erhalten zu können, wurde sie mit über 500 Einzelteilen ins Museum gesetzt.
 
Nach der eingehenden Betrachtung des Kellergeschosses erreichten wir über eine Treppe das Hauptgeschoss. Hier ist das Bädermuseum untergebracht. Wir erhielten interessante Infos über das Heilbaden bei den Römern, über Badstuben seit dem Mittelalter, die Badereise um 1600, die Kur im 19. Jahrhundert, über das Heilbaden heute und Wichtiges über Heilwässer.
 
Lendenzuber, Wellenbadschaukel
Der Lendenzuber ist eine Rekonstruktion nach dem Arzneibuch von Dryander (1547). Im Lendenzuber wurde ein Kräuterbad bei Nieren- und Lendenschmerzen verordnet. Auch zur Förderung und Erleichterung der Geburt wurden diese Bäder angewandt.
 
Die Wellenbadschaukel nach Diettmann fiel uns sofort auf. In die Schaukel wurden 2 bis 4 Eimer Wasser eingefüllt. „Man setzte sich möglichst hoch in die Rückenlehne derselben und halte sich mit beiden Händen an der oberen Wulst; durch Anziehen und Strecken der Beine erzeugt man das Schaukeln und erzielt nach der aufgewendeten Energie bis 12 Sturzwellen in der Minute, die sich brausend über den Köper ergiessen“, so die Beschreibung. Der Effekt ist angeblich derselbe wie in der Meeresbrandung. Gepriesen wurde die Wellenbad-Schaukel zur Erfrischung, Nervenstärkung. Das aus verzinktem Flussstahlblech gefertigte Gerät kostete damals 40 Mark.
 
In einem Nebenraum war ein Badezuber mit einem zweiteiligen Vorhang verdeckt. Ich zog die beiden Bahnen zur Seite und erblickte eine nackte Badende aus Kunststoff, die im Zuber kniete. In einem anderen Raum sah ich eine künstliche, menschengrosse Frauenpuppe, die mit einem Ganzkörper-Badeanzug bekleidet war. Nur die Füsse und Arme waren frei. Sie hatte sogar eine Bade-Stoffkappe auf. Ein Wanderfreund fotografierte mich zusammen mit dieser Frau. Als ich Walter Hess dieses Foto mit einigen andern zusandte, kommentierte er diese mit folgenden Worten: „Du wärst der geborene Bademeister.“
 
Das heilsame Bad im Mai
Im Museum waren etliche Tafeln mit Infos aufgehängt. Unter Volksglaube, Kirche und Heilwasser erfuhr ich diese Fakten:
 
Im Volk herrschte die Meinung, Bäder im Mai und an St. Johannis (24.06.) wären besonders heilsam. Im ganzen 19. Jahrhundert kamen Schwarzwaldbauern zum Baden und Zechen in die Bäder Kuckucksbad, Glotterbad und Silberbrünnlein bei Freiburg. Der Strassburger Kirchenkonvent wandte sich 1834 gegen die Johannisbäder in Niederbronn (Unterelsass).
 
Man kann sich das gut vorstellen: Früher war das gemeinsame Baden obligatorisch. Es gab Ausgelassenheit, Essen, Trinken und Liebesspiele. 1474 berichtete Hans von Waldheim von seiner Frühjahrskur in Baden (Schweiz). Bei einer Einladung in einem Privatbad gab ihm zur besonderen Freude Ritter Hans von Emsz aus Freiburg im Breisgau „syne huszfrawe zu eynem meyenbulen.“ Das waren Freundschaftsdienste!
 
Abergläubische Badebräuche waren bei der Kirche nicht gern gesehen. Kirche und Obrigkeit versuchten, diese auszurotten. Im evangelischen Bad Ramsach (Kanton Baselland) gingen die Pfarrer im 16. und 17. Jahrhundert gegen die Frühlingsbäder vor und verlangten, dass der Badwirt an Himmelfahrt, 1. Mai und St. Johannis kein Badewasser aufheizen dürfe. Ich kann mir vorstellen, dass die Badewilligen das kalte Wasser verabscheuten, da sämtliche Lust abhanden gekommen war.
 
Im 19. Jahrhundert bemühte sich die katholische Kirche, den Volksglauben an die Heilkraft des Wassers zu Formen der Volksfrömmigkeit weiterzuentwickeln. „So zogen Frühjahrsprozessionen zur Walpurgiskapelle bei Leimen im Sundgau (Oberelsass). In der Quelle vor der Kapelle wuschen Mütter am 1. Mai ihre kranken Kinder; an St. Johannis sollte das Wasser Sommersprossen vertreiben“, so der Text auf einer Infotafel. In anderen Gegenden segneten Pfarrer das eine oder andere Wasser. Als wir vor Jahren auf dem Ottilienberg im Elsass waren, konnte ich lesen, dass die Wallfahrer ihre Augen mit dem Wasser benetzten, um diese gesund zu erhalten.
 
Stundenlanges Baden
Früher badete man in Thermal- und Mineralwasser nach einer Ärzteempfehlung oft stundenlang. Die Haut wurde dabei ganz schön malträtiert. Es kam zu Ausschlägen, Rötungen, Abschälungen, und so manche Glieder schwollen an. Manche erlitten Fieber, Schüttelfrost und Schlaflosigkeit. Die Ärzte sahen im Badeausschlag ein Zeichen für den Erfolg einer Badekur. Man war damals der Ansicht, dass verdorbene Säfte aus dem Körperinnern, die man für die Krankheit verantwortlich machte, über die Haut abgeleitet würden. Auch das Schröpfen, Aderlassen und Abführen wurden praktiziert. Die Ärzte waren überzeugt, durch diese Verfahren würden schlechte Säfte dem Körper entzogen.
 
Nach Einführung der Trinkkuren im 18. Jahrhundert war das Ausschlagbaden nicht mehr aktuell.
 
Es gab noch viel in diesem sehr schön eingerichteten Museum zu sehen, so zum Beispiel Badegläser aus dem Schwarzwald, Schnepper, Aderlassschale, Lithografien, eine Badewanne aus dem Hotel Römerbad in Badenweiler (Ende 19. Jahrhundert).
 
Dann stiegen wir über eine Treppe in das 1. Dachgeschoss. Dort ist das Heimatmuseum Bad Bellingen untergebracht. Dieses Museum stellt die Geschichte der 4 Dörfer in 4 Themen vor: Herrschaft, Konfession, Krieg und Not, Rhein und Fischerei. Im 2. Dachgeschoss sind wechselnde Ausstellungen zu sehen.
 
Nach diesem eindrucksvollen Museumsbesuch fuhren wir in das elsässische Ottmarsheim, um die Abteikirche zu besichtigen. Was wir dort sahen, werde ich im 2. Teil beschreiben.
 
 
Internet
 
Literatur
Moehring, Markus: „Oberrheinisches Bädermuseum, Heimatmuseum Bad Bellingen“ (deutsch und französisch), Gemeinde Bad Bellingen (ohne Jahreszahl).
 
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Glanzpunkte-Artikel zum Thema Badeleben von Heinz Scholz
 
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