Textatelier
BLOG vom: 11.05.2014

Lommiswil/Oberdorf SO/CH: Zu den Spuren der Dinosaurier

Autor: Heinz Scholz, Wissenschaftspublizist, Schopfheim D
 
Vor 145 Millionen Jahren lebten im Jura Dinosaurier. Wo heute die solothurnischen Gemeinden Rüttenen, Lommiswil und Oberdorf liegen, dehnte sich eine seichte Lagunenlandschaft aus. Und hier tummelten sich viele Tiere wie Schildkröten, Turmschnecken, Krokodile und Haifische. Es wurden in diesem Gebiet Fossilien von Seeigeln, Korallen, Schwämmen, Muscheln, Schnecken, Fischen, Krebsen, Zähne von Haien, Schildkröten, Meereskrokodilen und pflanzliche von Nadelbäumen und Schachtelhalmen gefunden.
 
Toni von Lörrach hatte sich im Hinblick auf unsere Wanderung vom 05.05.2014 nicht weniger als 3 Höhepunkte ausgedacht. Zu siebt fuhren wir zunächst zur Wolfsschlucht bei Welschenrohr SO. Einige Wanderfreunde kannten die wildromantische und grandiose Wolfsschlucht noch nicht. Besonders imponierend fanden alle die Felswände und einen überhängenden Steinklotz. Jeder hoffte, dass dieser Klotz oder Teile davon beim Vorbeilaufen unterhalb des Felsens nicht in die Schlucht stürzen werde.
 
Wolfsschlucht
Eine neuerliche Beschreibung erübrigt sich, da ein Blog von mir am 31.08.2010 („Wolfsschlucht Thal: Steilwände, Höhlen, augenlose Spinne“) im Textatelier schon publiziert wurde.
 
Auf dem Weissenstein
Nach dem ersten Höhepunkt fuhr uns Toni zum Weissenstein (der Weissensteinpass befindet sich auf 1279 m ü. NN). Dort parkierten wir unterhalb des Kurhauses auf einem grossen Parkplatz. Der Weissenstein wird als der Hausberg von Solothurn bezeichnet. Er ist seit 1908 untertunnelt. Der 3701 Meter lange Eisenbahntunnel ist Teil der Bahnstrecke von Solothurn nach Moutier (Berner Jura).
 
Auf der Südseite des Kurhauses ist ein Juragarten, der etwa 200 typische Pflanzenarten aufweist. Ein Planetenweg beginnt am Kurhaus. Aber an diesem Tag hatten wir keine Augen für diese Besonderheiten, zumal wir diese schon kannten und ein neues Ziel (Röti) vor Augen hatten.
 
Wir wanderten zur Aussichtsterrasse am Kurhaus und waren schon hier vom Alpenpanorama, das sich uns darbot, überwältigt. An diesem Tag hob sich die Alpenkette oberhalb einer Dunstzone deutlich ab. Wir identifizierten den Eiger mit seiner dunklen Nordwand, die Jungfrau und den Mönch und weitere Alpengipfel.
 
Innert 30 Minuten wanderten wir zum Röti (1395 m ü. NN) hinauf. Hier oben hatten wir einen herrlichen Rundblick, sahen die Berge des Faltenjuras, die Täler mit ihren Dörfern und nochmals das Alpenpanorama.
 
Auf dem Röti pfiff uns ein kalter Wind um die Ohren. An 2 Stellen konnten wir noch Schneefelder ausmachen. Wir verzichteten jedoch auf eine Schneeballschlacht.
 
Beim Auf- und Abstieg sah ich wunderschöne Areale vom blaugefärbten Frühlings-Enzian und die Blätter des gelben Enzians. Wegen der hier oben herrschenden kühleren Witterung waren die gelben prachtvollen Blüten noch nicht zu sehen.
 
Nach einem kurzen Aufenthalt wanderten wir wieder abwärts zum Parkplatz.
 
Über das Weissensteingebiet hat Walter Hess schon einige Blogs (siehe unten: Bloghinweise) verfasst, so dass ich mich in diesem Blog nur auf das Wichtigste beschränke.
 
Die Dinosaurierspurenplatte
Wir fuhren über den Weissensteinpass in Richtung Oberdorf steil abwärts (Gefälle von 22 %, es ist eine der steilsten Strassen der Schweiz!) und parkierten am Rande eines Waldweges oberhalb des gebührpflichtigen Parkplatzes.
 
Toni war schon einmal dort, und so fanden wir auch den richtigen Weg mit dem braunen Hinweisschild „Saurierspuren“ problemlos. Die Fährten wurden erst 1987 erkannt und anschliessend erforscht. Diese sind heute eine besondere Attraktion.
 
Dort befindet sich ein bequemer Wanderweg ohne grosse Steigung. Eine Erholung nach unseren Touren durch die Wolfsschlucht und zum Röti.
 
Nach etwa 20 Minuten erreichten wir die riesige Dinosaurierspurenplatte im Lommiswiler Steinbruch, welcher politisch zu Oberdorf gehört.
 
Von einer Aussichtsplattform konnten wir dann die Dinofährten im Kalkstein, der auch „Solothurner Marmor“ genannt wird, erblicken. Wie ich mir sagen liess, sind die Abdrücke bei schräg einfallendem Sonnenlicht – am Morgen und am Spätnachmittag – am besten zu sehen. Man erhält dann den stärksten Schlagschatten.
 
Auf verschiedenen Tafeln konnte sich der Besucher gut über die Saurier und die Besonderheiten auf der Platte informieren.
 
Auf der 10 000 Quadratmeter grossen Platte sind rund 350 Trittsiegel in 9 Fährten zu sehen. Die kleineren hufeisenförmigen Abdrücke der Vorderfüsse sind etwa 60 cm lang und 40 cm breit. Die grösseren, ovalen Abdrücke der Hinterfüsse sind rund 120 cm lang und 80 cm breit. An der Schrittlänge (2,5 bis 5,2 m) kann man auf die Hüfthöhe schliessen (3 bis 4,5 m).
 
Im Naturmuseum Solothurn ist eine naturgetreue Kopie eines Vorder- und Hinterfussabdrucks ausgestellt. Dort kann man sich in den Tritt stellen oder auch hineinsetzen.
 
Die Abdrücke stammen von Echsenfusssauriern (wissenschaftlicher Name: Sauropoden). Die Fährten gelten, gemeinsam mit den vor einigen Jahren entdeckten Spurenvorkommen im Kanton Jura entlang der neuen Autobahn A16, zu den weltweit bedeutendsten Vorkommen aus der Zeit des späten Juras.
 
Die Spurenplatte lag ursprünglich nahe einem Meer und bestand aus Kalkschlamm. Bei Ebbe floss das Wasser zurück, und so konnten die Dinos hier herumwandern. Eine Algenschicht, die sich nach den Fussabdrücken in den Tümpeln bildete, konservierte die Tritte. Die Algenschicht war nicht nur in den Eintiefungen der Spuren, sondern überzog als feine Schicht das ganze Sediment. So war es „armiert“ und konnte der „nächsten Welle“ standhalten.
 
Viele Millionen Jahre später, bei der Faltung des Juras, wurde die einst horizontal liegende abgelagerte Kalkschicht in die Höhe gehoben.
 
Durch den Abbau des Solothurner Steins kam erst die Schicht mit den Spuren ans Tageslicht. Es war natürlich ein Glück, dass nur die darüber liegenden Schichten zu Bauzwecken abgebaut wurden. Ansonsten wären die Spuren wohl nicht entdeckt worden. Sie wären in grossen Blöcken samt Spuren darin abgebaut, in Häusern und Treppen verbaut oder stünden als Brunnen auf den grossen Plätzen von vielen Städten in der Schweiz.
 
Prof. Dr. Christian Meyer, heute Direktor des Naturhistorischen Museums Basel, entdeckte im Rahmen geologischer Untersuchungen für seine Diplomarbeit an der Universität Bern im Steinbruch oberhalb St. Niklaus versteinerte Schildkröten und andere Versteinerungen aus der oberen Jurazeit. Er suchte dann auch im Steinbruch bei Lommiswil nach Versteinerungen und stiess an einem Tag im Februar 1987 zufällig auf „Einbuchtungen“ (diese waren den Steinbrucharbeitern schon vorher aufgefallen), die er weiter untersuchte und erforschte. Er identifizierte diese erstmals korrekt als Dinosaurierspuren. Die Erforschung der Fährten war nicht einfach, da die Steilwand nur mit Kletterseilen untersucht werden konnte.
 
Die Platte ist wegen der Steilheit und Steinschlaggefahr nicht begehbar. Von der Aussichtsplattform sind jedoch etliche Fährten gut einsehbar.
 
Auf einer Infotafel war ein Brontosaurier mit hoch gestreckten langen Hals abgebildet. Das Naturmuseum Solothurn gab dazu folgende Erklärung: „Dieses Bild ist übrigens nicht ganz aktuell: sie brauchten wohl ihre langen Hälse nicht wie Giraffen zum Abfressen hoher Bäume, sondern nach vorne gestreckt, um ohne einen Schritt riesige Grasflächen abmähen zu können.“
 
Tief beeindruckt verliessen wir das Areal der Saurierspuren, besuchten noch einen anderen imposanten Steinbruch, der davor lag und keine Spuren aufwies. Nachdem ein Wanderfreund ein Wanderschild fand, meinte er, nun gingen wir zum „Hintern“. Als ich das Schild näher betrachtete, wusste ich, was er meinte. Es ging in 1 Stunde 15 Minuten zum „Gsäss“.
 
Fazit: Es war eine grandiose Wanderung mit vielen Höhepunkten. Da wir an einem Montag wanderten, waren kaum Leute unterwegs, auch waren die Parkplätze wenig frequentiert. Unser Dank gilt an unseren Wanderführer Toni, der akribisch wieder diese Tour ausknobelte, so dass wir an einem Tag die 3 Besonderheiten aufsuchen konnten.
 
Anhang
Naturmuseum Solothurn
Eine grosse und wissenschaftlich bedeutende Sammlung von Juraversteinerungen besitzt das Naturmuseum Solothurn (www.naturmuseum-so.ch). Besonders interessant sind die versteinerten Schildkröten.
 
Silvan Thüring, Geologe und Paläontologe am Naturmuseum Solothurn tätig, teilte mir in einer E-Mail vom 09.05.2014 mit, dass ein grosser Teil der Schildkröten aus den 11 historischen Steinbrüchen der Stadt Solothurn stammen. Sie gehen zurück auf den Museumsgründer F. J. Hugi (www.naturmuseum-so.ch/01_info/1gesch.html).
 
Silvan Thüring: „Aus den insgesamt 3 Grabungskampagnen im Steinbruch bei St. Niklaus wurde eine wissenschaftliche Bearbeitung der palökologischen Bedingungen möglich. Es wurde auch erstmals verstärkt nach Knochenmaterial gesucht – denn diese wurden früher vermutlich meistens übersehen. Früher wurden die Schildkrötenpanzer oder Fragmente davon von den Steinbrucharbeitern gefunden und dem Museum abgegeben.“
 
Mitarbeiter des Museums arbeiten derzeit unter Hochdruck an der Erneuerung der erdgeschichtlichen Dauerausstellung. Bewährtes wird natürlich belassen. So kann man auch in der neuen Ausstellung einen originalen Abguss zweier Trittsiegel der Spuren bei Lommiswil von nah bestaunen.
 
Silvan Thüring: „Aber nicht nur die Dinosaurier sollen zum Zuge kommen, auch die anderen Fossilien aus dem damaligen Jurameer werden gezeigt. So eine schöne Solothurnerkalk-Platte mit einem Kieferfragment eines Meereskrokodils, einigen Rippen, Wirbel und Panzerplatten. Nicht zu vergessen die Schildkröten, Schnecken, Muscheln, Fische etc.“
 
Das Museum werden wir anlässlich einer Jura-Wanderung einmal besuchen. Ein Besuch dürfte sich lohnen, da hier viele interessante Fossilien präsentiert werden.
 
Mein Dank geht an Silvan Thüring, der mir wichtige Tipps zum Thema übermittelte.
 
 
Internet
www.lommiswil.ch (Arbeit von Susi Iseli: „Die Dinosaurierspuren von Lommiswil“).
www.naturmuseum-so.ch/05_samm/5pal.html (eine Übersichtsliste über die Fossilien in der Sammlung kann man als Acrobat-PDF-Datei herunterladen).
 
Hinweis auf Blogs zum Weissenstein von Walter Hess
 
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