Textatelier
BLOG vom: 26.09.2014

Appenzeller Biberli: Köstlichkeiten nicht nur für Schweizer

Autor: Heinz Scholz, Wissenschaftspublizist, Schopfheim D
 
Die Biberli haben nichts mit den baumnagenden, Wasserburgen bauenden Bibern zu tun. Es handelt sich hier um ein braunes, mit einer Mandelmasse gefülltes Lebkuchengebäck.
 
Die ersten Schweizer Lebkuchen-Rezepte finden sich um das Jahr 1800 in St. Galler Kochbüchern. Vorher gab es Lebkuchengebäcke nur ungefüllt. Der Schweizer Gebäckforscher Max Währen brachte heraus, dass die ersten Biber-Rezepte aus St. Gallen und nicht im Appenzell ihren Ursprung haben. In einem Bericht in der „Appenzeller-Zeitung“ (1982) schrieb er: „Mit ziemlicher Bestimmtheit darf angenommen werden, dass der Appenzeller Biber ein Bruder, und zwar ein ziemlich jüngerer Bruder des St. Galler Bibers ist.“
 
Albert Spycher hat nachgewiesen, dass die Appenzeller und St. Galler Biber erstmals 1902 in einem Fachbuch auftauchten.
 
Die Biberli, die Kleinform des Bibers (Biberfladen), sind fast in jeder Schweizer Bäckerei und unzähligen Beizen anzutreffen. Wir, die im Grenzbereich zur Schweiz leben, konnten Biberli immer in diversen Geschäften oder bei Migros in Basel oder Stein am Rhein kaufen und vernaschen.
 
Meine Familienangehörigen sind, genauso wie die Schweizer, verrückt nach diesem mit Marzipan gefüllten Lebkuchengebäck. Da kam mir die Idee, diese Biberli einmal selbst herzustellen. Zunächst war ich auf der Suche nach dem Original-Rezept. In keinem deutschen Kochbuch aus meinem Archiv konnte ich etwas finden.
 
In meiner Verzweiflung bat ich Walter Hess, der ebenfalls gerne Biberli isst, um ein Schweizer Rezept. Er teilte mir dann mit, dass man fast kein Biberli-Rezept in Büchern finde. Dann fand er etwas Ähnliches, ohne Füllung, das gut lagerfähig ist und vor dem Verzehr mit Butter bestrichen werden kann: „Aus der Patsche hat mir Eva Maria Borers Buch ‚Alte und neue Küche in der Schweiz´ (1971) geholfen. Darin ist ein Rezept für den Biberfladen. Normalerweise hat solch ein Fladen die Grösse eines Esstellers; aber Du kannst natürlich nach dem Rezeptmuster auch beliebig kleine Biberli formen.“
 
Ungefüllte Biberfladen hatte ich jedoch nicht im Sinn. Deshalb suchte ich im Internet nach einem Rezept für runde, gefüllte Biberli. Unter www.swissmilk.ch und www.saison.ch fand ich das Gesuchte.
 
Ich war jedoch skeptisch, ob mir die Biberli gelingen würden. Eine Nachbarin, der ich schon ein selbstgemachtes Biberli vollmundig in Aussicht stellte, meinte: „Das schaffst Du schon. Du bist ja im Backen bisher erfolgreich gewesen.“ Das gab mir Mut. Als ich dann noch erzählte, ich würde das Rezept im Textatelier.com publizieren, sagte sie: „Da lernen endlich Hausfrauen, wie man Biberli herstellt.“
 
Dieser gute Wunsch zum Gelingen wurde deshalb geäussert, weil ich ihr immer Kostproben von meinen Backkreationen überreichte. Auch meine Familienangehörigen machten mir Mut. Nun konnte eigentlich nichts mehr schief gehen.
 
Gewürz haben wir noch nicht!
Es gab nur Schwierigkeiten beim Besorgen von Lebkuchengewürz. Eine Verkäuferin in einem Frischmarkt, die ich fragte, antwortete: „Lebkuchengewürz haben wir noch nicht, es ist ja noch keine Vorweihnachtsbackzeit.“ Nur komisch, dass es schon ab Mitte September Lebkuchen in allen Variationen in einer Verkaufstheke gab.
 
In meiner Not suchte ich das Reformhaus Stutz in Schopfheim D auf und bekam das Gewürz in Bio-Qualität (Firma Brecht). Das Lebkuchengewürz hat folgende Zutaten: Cassia-Zimt, Koriander, Anis, Piment, Nelken, Sternanis, Kardamom, Ingwer, Bourbon-Vanille.
 
Für die Füllung besorgte ich mir Marzipan Rohmasse. Die Rohmasse besteht aus 54 % Mandeln, Zucker, Wasser, Invertzuckersirup und etwas Alkohol. Man kann die Füllung auch selbst herstellen. Ausführung: 60‒120 g geschälte, geriebene Mandeln, 1 EL Zucker, 1 EL Rosenwasser, 1 Eiweiss, 4 EL Honig. Die anderen Zutaten besorgte ich mir ebenfalls, so dass ich zuversichtlich und frohgemut ans Werk gehen konnte.
 
Zutaten für den Teig:
125 g Honig
75 g Vollrohrzucker
2 EL Sonnenblumenöl
4 EL Milch
200 g Weizenmehl, Type 1050 (oder eine Mischung aus Weizen- und Dinkelmehl)
2 TL Lebkuchengewürz
0,5 TL Backpulver
 
Zutaten für die Füllung:
200 g Marzipan Rohmasse
 
Zubereitung:
Honig, Zucker, Öl und Milch unter Rühren in einer Pfanne zum Sieden bringen. Die Pfanne von der Heizplatte nehmen, kurz abkühlen. Mehl mit Lebkuchengewürz und Backpulver mischen und in Portionen zur Honig-Zucker-Mischung dazugeben und immer mit einem Holzlöffel umrühren, bis ein Teig entsteht. Nach dem Abkühlen Teig durchkneten und diesen etwa 1 Stunde bei Raumtemperatur oder im Kühlschrank ruhen lassen. Nun hat der Hobbybäcker etwas Zeit und kann sich dem Textatelier.com widmen oder im Internet recherchieren.
 
Den braunen Teig knetet man nochmals durch, und anschliessend wird dieser 3 mm dick auf einer mehlbestäubten Fläche ausgewallt. Dann sticht der Hobbybäcker 2 gleich grosse runde Teigareale mit einem Trinkglas (7 cm im Durchmesser) aus. Die eine Hälfte wird mit der breitgedrückten Marzipan Rohmasse (ca. 5 cm langes Stück) belegt und der Rand mit Wasser benetzt. Das 2. Teigstück wird draufgelegt und die Ränder angedrückt. Diese Prozedur wird so lange wiederholt, bis kein Teig mehr übrig ist.
 
Die Biberli im Rohzustand (etwa 15 Stück) beförderte ich mit sanfter Hand auf ein mit Backfolie belegtes Blech.
 
Bald hätte ich etwas vergessen: Vor dem Backen im Ofen, der auf 180 Grad C vorgeheizt wurde, muss die Oberseite der Biberli noch mit etwas Milch eingepinselt werden. Dadurch bekommen sie einen schönen Glanz.
 
In der Ofenmitte wird das Blech platziert und die Biberli 15 bis 20 Minuten gebacken.
 
Guter Geschmack, nicht so weich
Nach dem Abkühlen machten wir alle eine Geschmacksprobe. Die Esser waren ganz aus dem Häuschen. „Sie schmecken wie das Original“, tönte es allenthalben. Persönlich fand ich die Biberli nicht so weich wie die originalen Appenzeller Biberli. Wichtig waren jedoch die Geschmackserlebnisse – und diese stimmten.
Meine Nachbarin säuselte: „Die schmeckten hervorragend.“ Auf meine Bemerkung, die von mir produzierten Biberli seien nicht so weich wie die gekauften, sagte sie: „Ich habe ja noch gute Zähne.“
 
Meine Familienangehörigen meinten, solche Biberli soll ich bald wieder backen. Die Produktion wird also weitergehen!
 
Internet
(hier sind auch Infos zur Geschichte der Biberli zu bekommen)
www.biberbaeckerei.ch (Biber-Shop mit vielen Biber-Variationen) (Biber-Shop mit vielen Biber-Variationen)
 
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