Textatelier
BLOG vom: 07.12.2015

Reaktionen auf Blogs (160): Terrorismus

Reaktion auf Blogs über Terrorismus

 

"Mein Sohn war ein Psychopath und ein kleines Arschloch" (Der Vater des Drahtziehers der Pariser Morde über seinen Sohn Abdelhamid Abaaoud, der innerhalb des sog. IS als ein "großer Stratege" galt). Er wird ihn am besten gekannt haben. Also leider kein "Europäer neuen Typs", kein "Conquistador", kein "Eroberer", wie schade!

Das Böse ist nun einmal "banal", wie die geniale Hannah Arendt so zutreffend analysiert hat und die Ursprünge und zahlreiche Elemente totaler Herrschaft sind, wenn man ihre unterschiedlichen Hypostasen einmal beiseite lässt, erstaunlich kohärent, vor allem, wenn man sein Augenmerk auf den Werdegang und die psychosoziale Verfassung des radikalisierten Individuums richtet, was Ihnen sichtlich schwer zu fallen scheint.

Was unterscheidet Abaaoud von Heinrich Himmler, abgesehen von unterschiedlicher sozialer Herkunft, einer anderen Epoche, anderer Bildung und Zielideologie? Himmler wurde von seinem Lehrer-Vater massiv unterdrückt, verprügelt, hat sich als Nichtsnutz und Versager fühlen müssen. Als "Biologe" in früheren Jahren hat er weisse Hühner gezüchtet, die nach ihm bis heute "Arier" heissen, in der Hoffnung, diese würden sich gegen andere Hühnerrassen durchsetzen.

Was den Typus Psychopath Himmler/Abaaoud von anderen "Kranken" unterscheidet, ist ihre Fähigkeit, ihren Wahn mit krimineller Energie in "politische/militärische Karrieren" und Massenmord umzusetzen, abgesehen davon, dass der Nazismus eine ganz andere historische Dimension und organisatorische Systematik repräsentiert und eine ganz andere "Blutspur" als der sog. IS hinterlassen hat.

Ansonsten hat ihre Verteidigungsphilippika auf meinen eher essayistisch-polemisch und weniger wissenschaftlich-fundiert gemeinten Beitrag hier in meinem Kreis von Historikerkollegen durchaus für Erheiterung gesorgt. Wir dachten eigentlich bislang, Erbsenzählermentalität und der Zwang zu Rechthaberei sei ein typisch deutscher Charakterzug. Aber Sie betrachten sich ja als Schüler des "68-er-Feindbilds" Hermann Lübbe!

Mit diesem letzten kurzen Statement verabschiede ich mich aus diesem Schweizer Blogatelier, das sich zu meinem Verdruss in Richtung eines Meierschen Privatblogs entwickelt hat, wobei andere Autoren leider kaum oder nur noch mit Berichten über Weinreisen an die Mosel oder Elogen auf die Schönheit ukrainischer Frauen zu Worte kommen. Immerhin, für letzteres Thema wäre ich auch in Ihren Augen wohl ausnahmsweise mal qualifiziert, da ich seit Jahren glücklich mit einer bildhübschen Vertreterin der bezaubernden Spezies Frauen aus dem Gebiet der ehemaligen UdSSR verheiratet bin.

Dr. H.L. Wessling M.A.

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Anwort an Herrn Dr. Wessling:

Die Irrtümer von Hannah Arendt, vor allem in ihrem bedauerlich schwachen  Buch über Eichmann, werden von fast allen israelischen Experten zurückgewiesen. Arendt hat in Jerusalem nachweisbar ungenügend recherchiert, was allerdings mal auf einem separaten Beitrag hier ausführlicher dargetan werden müsste.  Sie wusste Ihre These schon vor ihrer Forschung und erwies sich gegenüber der Realität als resistent. im Sinn  von Popper hat sie nur Verifikationen gesucht, ein typisches Merkmal unwissenschaftlichen Arbeitens. Die Geliebte von Martin Heidegger und Exrfrau des wohl bedeutendsten Analytikers des Atomzeitalters, Günter Anders, werden durch ständiges Zitieren nicht wahrer. Über das sogenannte Böse haben sich nun mal andere Denker wie Augustinus, Hobbes,  der Marquis de Sade,  Kant ("das radikal Böse"), Machiavelli, Nietzsche, Karl Schmitt (trotz seiner Kompromittierung als Nationalsozialist), Konrad Lorenz und ander unter ganz anderen Perspektiven ausgelassen. Auch in die Geschichte der Hexenprozesse muss man für das Verständnis des Bösen ganz anders  eingearbeitet sein als Hannah Arendt, der Name genügt nicht, nur Archivbesuche zählen. Fast nur Literaten, sicher kaum Rechtspraktiker, nehmen Hannah Arendt über charmante Komplimente hinaus in der Praxis ernst, wiewohl das Banale natürlich mit zum Bösen gehört. Zur aktuellen Diskussion über den Pariser Terroristen, über den es noch keine ernst zu nehmende Forschung gibt und über den Sie ganz naiv zitieren, was Sie in der Zeitung gelesen haben, was nach Einstein nun wirklich gar nichts bringt, kann man vorläufig noch keine wissenschaftlichen Aussagen machen. Auf dieser leichtgläubigen Basis werden Sie kein Terrorismus-Experte. Die Einschätzung in der Familie als Spinner muss man aus der Verteidigungssituation sehen, da analysieren Sie ohne das notwendige kriminologische Fachwissen, vergleiche die gelegentlich auch bei Dürrenmatt zitierte Fachliteratur über die Praxis des Verhörs. Sie zitieren Aussagen, die kein Ermittler zum Nennwert nehmen würde, sage ich Ihnen übrigens, weil ich auch noch ein paar Jahre an einer Polizeischule unterrichtete. Und was Sie über Himmler ausführen, trifft leider teilweise auch auf Churchill zu, auch solche Aussagen sind nicht ganz zum Nennwert zu nehmen. Friedrich der Grosse wurde noch viel mehr verprügelt als Himmler. Die Prügelstrafe seit 1548  und ihre Auswirkungen und pädagogische Bedeutung bearbeite ich  derzeit in meiner Arbeit an der Schulgeschichte von Beromünster. Zur Jugendzeit von Himmlers Vater wurden die Rute und die Tatze gesetzliches Strafmittel. Noch nie war ich aber der Meinung, das Textatelier sei mein Privatblos. Monatelang komme ich kaum dazu, etwas zu schreiben, wird wohl auch bis Ostern wieder nur ausnahmsweise der Fall sein. Selber fand ich einige Ihrer Beiträge anregend. Aber Sie können im Ernst doch nicht sagen, dass Sie über die Geschichte des Terrorismus eingearbeitet seien. Es wäre mir nie gelungen, in dieser Frage das eine oder andere Mal Fachreferent zu sein, hätte ich jeweils geglaubt, was ein paar Tage nach einer Tat in der Zeitung steht. Als Kriminalhistoriker wies ich in meinem Buch "Der Fall Federer", über eine Pädophilenaffäre, dass das, was jeweils in den ersten Tagen in einer aufgeregten Presse dem Publikum vermittelt wird, mit den haltbaren Tatsachen in der Regel fast nichts zu tun hat. PS. Weil ich mich mit solchen Fragen auseinandergesetzt habe, wurde ich vor Monatsfrist zur letzten zivilen Hinrichtung in der Schweiz, worüber auch nur Klischees verbreitet werden, interviewt. Ein etwas ausführlicherer Artikel erschien dann in der Zentralschweiz am Sonntag.  Ich wollte damals zeigen, warum der Kanton Obwalden noch 1940 keinesfalls auf die Vollstreckung eines Todesurteils verzichten wollte und welche traditionalen Hintergründe den damaligen Justizdirektor Walter Amstalden und die Katholisch-Konservative Partei veranlassten, auf diesem Standpunkt zu verharren. Das war nicht Terrorismus, hat aber auch mit der Geschichte des Bösen und mit „Masse und Macht“ (Elias Canetti) zu tun. Die Wirklichkeit findet immer im Einzelfall statt. Manchmal dauert es 75 Jahre, bis man etwas tiefer hinein sieht. Die Irrtümer von Hannah Arendt beim Prozess Eichmann waren damals, als sie von nicht informierten Lesern bewundert wurde, im Detail natürlich noch nicht bekannt.

PS. Bei allen hier sehr offen ausgetragenen Meinungsverschiedenheiten. Herr Dr. Wessling hat erreicht, dass der Artikel über Ismael Omar Mostefai nicht in der Tabelle der Nachrufe von Pirmin Meier verblieben ist. Erstens aufgrund der Kritik (auch bei www.portal-der-erinnerung.de schien der Beitrag nicht angemessen), zweitens aber auch deswegen, weil das Wissen über diese Terroristen eine biographische Würdigung zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht erlaubt. Aus der Sicht der Redaktion darf jedoch als erwiesen gelten, dass  die Beiträge von Herrn Dr. Wessling wie auch die Beiträge aller anderen Autoren stets ernst genommen werden. Zu gegenseitiger Kritik ist es schon früher gekommen. Beispielsweise wurden  die Nachrufe Pirmin Meier auf den Religionskritiker Karlheinz Deschner Gegenstand einer Kontroverse.

Pirmin Meier

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Antwort an Herrn Dr. Pirmin Meier:

Mein abschließendes persönliches Fazit unserer Diskussion:

  1. Die abscheulichen und widerwärtigen IS-Terroristen sind „Konquistadoren,
    Eroberer, Europäer neuen Typs“
  2. Die jüdische Philosophin und geniale politische Denkerin Hannah Arendt,
    die grundsätzlich schlecht recherchiert und ansonsten nichts weiter war als
    „die Geliebte Heideggers“ (was im Übrigen ein anderer „überragender Denker“
    dieses „Textateliers“, der nebenbei auch Theodor W. Adorno nicht verstanden
    hat, unisono mit einschlägigen zionistischen Kreisen in den USA und in
    Israel, schon vor Ihnen - von durchsichtigen politischen Motiven geleitet -
    bemerkt hat).
  3. Der mediokre, profillose, denkunfähige Nazi-Bürokrat Adolf Eichmann war
    alles andere als „banal“, sondern vielmehr ein hochintelligentes Monster,
    eine Art Fleisch gewordener Mephistopheles, hätte man nur besser
    recherchiert.
  4. Ulrike Meinhof war eine Pfarrerstochter.

„Der wohl hervorstechendste und auch erschreckendste Aspekt der deutschen
(schweizerischen, HLW) Realitätsflucht liegt in der Haltung, mit Tatsachen
so umzugehen, als handele es sich um bloße Meinungen.“ ― Hannah Arendt

(Hannah Arendt würde wahrscheinlich lapidar bemerken: „Fangen Sie an zu
denken, Herr Meier!“)

Dr. H.L Wessling M.A

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Anwort an Herrn Dr. Wessling:

Danke für Ihre herzhafte Kritik und dass Sie aus Ihrem Herzen keine Mördergrube gemacht haben. Über Eichmanns Intelligenz will ich mich nicht äussern, habe mich mit ihm im Gegensatz zu sinistren Figuren wie Himmler, Conti, Leers und anderen nicht wirklich befasst. Aber die Feststellung, dass Hannah Arendt in jener Fachwelt, deren Literatur ich nun mal auch lese, wegen mangelnden Recherchen umstritten ist, stammt nicht von mir. Natürlich war Hannah Arendt für mich mehr als bloss die Geliebte Heideggers, habe über ein Zitat von ihr schon mal einen Maturaaufsatz schreiben lassen. Dass Adorno Genugtuung empfand über die Bombardierung der deutschen Städte und der Meinung war, nach Auschwitz dürfe man keine Gedichte mehr schreiben, bloss musikstheoretische Abhandlungen, macht ihn ohnehin nicht zu einem der ganz grossen Philosophen, er gehört nicht zu den 200 wichtigsten, die ich las, habe aber trotzdem über seinen Text über die zwischenmenschliche Kälte ebenfalls einen Maturaaufsatz schreiben lassen. Ich versuche wirklich zu denken,  und ich lese auch die Bücher der Leute, die mir nicht unbedingt passen. Dieser Tage besprach ich die soeben erschienene 1 385seitige Geschichte des Kantons Uri, welche wegen der Passlage und den kaiserlichen Briefen aus dem 13. und 14. Jahrhundert einen tiefen Konnex zur europäischen Geschichte hat. Ich habe in der Kritik, die im übrigen gut ausfiel, jedoch einem Mitarbeiter vorgeworfen, wie Sie, Herr Dr. Wessling, auf den kommunistischen Faschismusbegriff hereingefallen zu sein. Es ist nicht möglich zu denken ohne genaue Begriffsanalyse, wenngleich nach Dante und Salvador Dali die Logik eine Erfindung des Teufels gewesen sein soll. Ich wiederhole jedoch, dass man von den Leistungen Hannah Arendts in der Philosophie durchaus überzeugt sein kann; wenn man ein Buch über das Böse schreiben will, muss man auf ihr Werk eingehen, ev. ihre Irrtümer korrigieren.

Pirmin Meier

 

 

Hinweis auf Blogs über Terrorismus

 

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